Walter Fantl-Brumlik

(Bischofstetten 1924 –Wien 2019): Zwangsarbeit im Außenlager Gleiwitz I

„So lange ich den Gürtel hatte, konnte ich überleben“

Bischofstetten, der Ort, in dem Walter Fantl-Brumlik aufwuchs, liegt in der Nähe von St. Pölten. Mutter Hilda und Vater Arthur betrieben dort eine Gemischtwarenhandlung. Bis zum Austrofaschismus habe er keine Erinnerung an Antisemitismus, so Walter Fantl-Brumlik. Seine Familie war die einzig jüdische in dem kleinen Ort, lebte religiös, so gut es ging. Nach der Volksschule besuchte Walter eine weiterführende Schule in St. Pölten, wo er auch seine Bar Mitzwa hatte.

Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme musste die Familie mit Schrecken feststellen, dass viele Befreundete illegale Nationalsozialisten gewesen waren. Die gebildeteren illegalen Parteimitglieder hätten sich ihnen gegenüber nicht „unanständig“ benommen. Anders die „Primitivlinge“, diese brachten sofort ein Plakat mit der Aufschrift „Kauft nicht bei Juden“ am Geschäft an. Die beiden konkurrierenden Geschäfte stimmten in die antijüdische Boykottpropaganda mit ein. Walter wurde „von paar Jugendlichen, also von unserer Konkurrenz angestänkert. Aber wir hatten einen Hund, … der war abgerichtet und wenn ich mit dem auf die Straße gegangen bin, ist mir keiner zu nahe gekommen von diesen Jugendlichen, die mich anpöbeln wollten.“

Versuche, in die USA zu flüchten, scheiterten an bürokratischen Hürden. Mit dem Novemberpogrom 1938 wurde das Geschäft geschlossen, der Vater vorübergehend verhaftet, das Haus mit dem Geschäft wurde enteignet. Die vierköpfige Familie musste nach Wien übersiedeln. Nach einem Umschulungskurs als Schlosser bzw. Feinmechaniker arbeitete Walter Fantl-Brumlik in der technischen Abteilung der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien. Im Oktober 1942 wurde die Familie in das KZ Theresienstadt deportiert. Die Eltern und die Schwester wohnten zusammen, Walter im Jugendheim, erst später wohnte die Familie gemeinsam. Er arbeitete als Schlosser und später in der Küche. Nach zwei Jahren mussten Walter und sein Vater auf einen Transport nach „Osten“. Anders als bei der Deportation nach Theresienstadt mit Personenwaggons wurden die Deportierten nun in Viehwaggons verfrachtet. Es begann ein Alptraum, den Walter Fantl-Brumlik nicht mehr loswurde. Nach der Ankunft in Auschwitz-Birkenau wurde selektiert, der Vater auf die eine Seite, Walter auf die andere. Er wollte mit seinem Vater gehen, aber das wurde ihm verwehrt. Sein Vater wurde von dem die Selektion durchführenden Arzt als nicht arbeitsfähig angesehen und daraufhin in einer der Gaskammern ermordet. Walter Fantl- Brumlik wurde eine Nummer eintätowiert. Er kam nach Gleiwitz I, eines der vielen Außenlager von Auschwitz, wo in Schichtarbeit Zwangsarbeit für die Deutsche Reichsbahn erledigt werden musste. Zu dieser Zeit war er noch überzeugt, dass seine Mutter und Schwester in Theresienstadt überleben könnten. Erst nach Kriegsende erfuhr er, dass beide neun Tage nach ihm nach Auschwitz deportiert worden waren und seine Mutter unmittelbar nach der Ankunft ermordet worden war. Seine Schwester kam in den letzten Tagen vor der Befreiung im KZ Bergen-Belsen aufgrund einer Typhus-Erkrankung ums Leben.

Eine der Überlebensstrategien von Walter Fantl-Brumlik war es, einen Gürtel, den er mitgenommen hatte, zu behalten – er wurde zu seinem Überlebensobjekt: „Dass mir den Gürtel niemand wegnimmt, hab ich ihn meistens getragen. Ich hab ihn in der Nacht auch gehabt, nicht am letzten Knopf, so dass ich noch atmen konnte, weil sonst wär der Gürtel weg gewesen. Für mich ist der Gürtel ein Erinnerungsstück aus dem KZ. Ich weiß nicht, wo ich ihn herhatte, aber ich konnte mich nicht trennen von dem Gürtel. Mein Gedanke war …, solange ich den Gürtel hab‘, lebe ich noch. Ich hätte viel Brot dafür bekommen, das war im Lager, in Auschwitz doch eine horrende Sache, ein Brot zu bekommen. Ich hab gedacht, wenn ich den Gürtel verliere, verliere ich auch mein Leben. Das mag wohl abergläubisch klingen, aber in dieser Zeit hat mir das einen Rückhalt gegeben.“

Am Ende war Walter Fantl-Brumlik so geschwächt, dass er den Todesmarsch im Zuge der Evakuierung der KZ ohne Hilfe anderer Häftlinge kaum überlebt hätte. Die Befreiung durch die Rote Armee war seine Rettung in letzter Minute. Später suchte er in Theresienstadt vergeblich nach seiner Mutter und Schwester und kam auf abenteuerliche Weise nach Wien. Während andere Überlebende nach Palästina oder Amerika emigrierten, wollte Walter Fantl-Brumlik zunächst in Österreich bleiben, auch weil er sich um die Rückgabe des Familienbesitzes kümmern wollte.

Literatur

Johannes Kammerstätter, Heimat zum Mitnehmen. Unsere jüdischen Landsleute und ihr tragbares Vaterland. Bd. 2, Wieselburg 2012, S. 80–87.

Gerhard Zeilinger, Überleben. Der Gürtel des Walter Fantl, Wien 2018.

Dokumentarfilm: Walter Fantl-Brumlik, Der Lebensgürtel, 5 min., Salzburg-Wien 2017 (unitv.org).