Zur Ausstellung

Die neue österreichische Ausstellung im Block 17 des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau steht unter dem Titel "Entfernung. Österreich und Auschwitz". Der Begriff "Entfernung" verweist auf die geografische Distanz zwischen Österreich und Auschwitz, die Teil der nationalsozialistischen Verleugnungsstrategie des Massenmordes war. Zugleich meint Entfernung auch Vernichtung: die physische Entfernung der nach Auschwitz Deportierten, aus Österreich und aus dem Leben.

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Eingangsbereich

Der „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland und der Einzug Adolf Hitlers in seine ehemalige Heimat im März 1938 wurden von breiten Teilen der Bevölkerung euphorisch begrüßt.

Ideologisch konnten die Nationalsozialisten auf einen tief verwurzelten antisemitischen Konsens zählen: Der aus jahrhundertealter Judenfeindschaft hervorgegangene Rassenantisemitismus gehörte seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zum politischen und gesellschaftlichen Alltag.

Die Monate nach dem März 1938 waren durch pogromartige antisemitische Ausschreitungen gekennzeichnet, die von vielen gutgeheißen und mitgetragen wurden. Bei den so genannten Reibpartien wurden Jüdinnen und Juden gezwungen, Straßen und Gehsteige von politischen Parolen für die Souveränität Österreichs und gegen den Nationalsozialismus zu säubern. Dies fand in aller Öffentlichkeit unter Beteiligung eines hämischen Publikums statt.

Dennoch bezeichnete sich Österreich nach 1945 als „erstes Opfer“ des NS-Regimes. Dieses Selbstverständnis, mit dem die Mitverantwortung Österreichs an den Verbrechen des Nationalsozialismus geleugnet wurde, bestand noch lange fort und wandelte sich erst langsam ab den 1980er-Jahren.

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Judenfeindschaft, antijüdische Stereotype und Vorurteile waren in Österreich bereits seit dem Mittelalter verbreitet. Wirtschaftliches Kalkül hatte schon damals zu Pogromen geführt, die mit erfundenen Beschuldigungen gegen Jüdinnen und Juden (Ritualmord, Hostienschändung, Brunnenvergiftung) gerechtfertigt wurden. Die Kirche sah in den Jüdinnen und Juden die Christusmörder und war damit die treibende Kraft zur Verbreitung und Tradierung antijüdischer Ressentiments.

Mit dem Einsetzen des Frühkapitalismus wandelten sich auch die Vorwürfe gegenüber Jüdinnen und Juden. Der Wucher, damit war allgemein das Nehmen von Zinsen gemeint, wurde nun im Kontext der Kapitalismuskritik zum antijüdischen Vorwurf. Die jüdische Bevölkerung wurde zunehmend, auch wenn der Großteil vom kleinen Warenhandel und nicht vom Kreditgeschäft lebte, mit dem Großkapital gleichgesetzt. Die vormoderne Judenfeindschaft zielte letztendlich auf die Bekehrung der Jüdinnen und Juden zum Christentum ab. Bereits seit Martin Luther wurde die Diskussion geführt, ob eine „jüdische Natur“ existiere, die durch die Taufe nicht verändert werden könne.

Die Aufklärung schuf die Grundlage für eine Integration von Jüdinnen und Juden, allerdings nur für jene, die dem Staat von wirtschaftlichem Nutzen waren. Die Forderung nach rechtlicher Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung im Zuge der Revolution von 1848/49 wurde schließlich 1867 durchgesetzt. Gleichzeitig verbreitete sich eine neue Form der Judenfeindschaft: der rassistische Antisemitismus. Dieser baute auf der tradierten Judenfeindschaft auf, integrierte sie in die moderne Wissenschaft der Rassenkunde und machte die vertrauten Stereotype zu „wissenschaftlich messbaren“ Kennzeichen einer „jüdischen Rasse“.

Die antisemitische Ideologie durchdrang ab dem späten 19. Jahrhundert alle gesellschaftlichen Schichten und wurde in Österreich zunächst vom christlich-sozialen Wiener Bürgermeister Karl Lueger, später aber in unterschiedlichem Maß von allen politischen Parteien aufgegriffen. Der Nationalsozialismus stellte den rassistischen Antisemitismus in den Mittelpunkt seines politischen Programms, das in der Vertreibung und Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden endete.

Der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich und damit die Einführung der Nürnberger Gesetze von 1935 hatten für die jüdische Bevölkerung weitreichende Konsequenzen: Schrittweise wurden ihnen alle bürgerlichen Rechte aberkannt. Bereits die Wochen nach dem Einzug Adolf Hitlers in seine alte Heimat waren von pogromartigen Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung geprägt: Jüdinnen und Juden wurden gezwungen, in so genannten Reibpartien Parolen des austrofaschistischen Regimes gegen den „Anschluss“ vor den Augen eines zum Teil hämischen Publikums von den Straßen zu waschen. Jüdische Geschäfte wurden beschmiert, geplündert und zerstört.

Karteien von Hermann Langbein (1912–1995) zu ehemaligen KZ-Häftlingen und zum KZ-Personal
Hermann Langbein war politischer Häftling im „Stammlager“ Auschwitz I, Schreiber des SS-Standortarztes Eduard Wirths sowie Mitglied des internationalen Lagerwiderstands. Nach 1945 sammelte er systematisch Berichte von ehemaligen Häftlingen und Informationen über das KZ-Personal. Diese Karteien bildeten eine wichtige Grundlage für Langbeins jahrzehntelange Arbeit an der Dokumentation der Verbrechen in Auschwitz. Er unterstützte damit wesentlich die Justiz bei der Verfolgung von NS-Tätern und -Täterinnen.
Anton Pelinka, Österreich
Nachkriegsaufnahmen des Aspangbahnhofs in Wien
1939 bis 1942 wurden die in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden vorwiegend vom Aspangbahnhof aus in die Konzentrationslager und Vernichtungsstätten deportiert. Danach gingen die Transporte vor allem vom Wiener Nordbahnhof ab, wie jene der Roma und Sinti. Auch andere Bahnhöfe in ganz Österreich wurden dazu benutzt, Menschen in die Konzentrations- und Vernichtungslager zu deportieren.
Archiv des österreichischen Rundfunks, Wien
Aufbau

Nach dem Ersten Weltkrieg verschärften sich in Österreich wie in vielen Ländern Europas die Gegensätze zwischen gesellschaftlichen Gruppen und politischen Lagern. Demokratie und Parlamentarismus wurden zunehmend abgelehnt. Gewalttätige Zusammenstöße zwischen den verschiedenen politischen Richtungen prägten das politische Klima. Dies beförderte den Aufstieg der österreichischen NSDAP, die Anfang der 1930er-Jahre zur Massenbewegung wurde und ihre Ziele mit Gewalt verfolgte. Trotz ihres Verbots im Juni 1933 gingen Terror und Propaganda weiter und mündeten – unter massivem politischem, wirtschaftlichem und militärischem Druck Deutschlands – am 13. März 1938 im „Anschluss“ an das Deutsche Reich, der von vielen Österreicherinnen und Österreichern euphorisch begrüßt wurde. Mit dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht begann im März 1938 die NS-Herrschaft in Österreich.

In kurzer Zeit wurde die nationalsozialistische Gewaltherrschaft in Österreich etabliert. Der NS-Machtapparat legalisierte Gewalt und Ausgrenzung und forcierte die Hetze gegen seine Feindbilder. Bereits der „Anschluss“ wurde von brutalen Übergriffen auf Jüdinnen und Juden sowie politische Gegnerinnen und Gegner begleitet. Breite Teile der österreichischen Bevölkerung profitierten hingegen vom neuen System und begrüßten die Verfolgungsmaßnahmen. Ihnen eröffneten sich neue Karrieremöglichkeiten. Den Höhepunkt der judenfeindlichen Maßnahmen stellte dabei das organisierte Pogrom vom 9./10. November 1938 dar, in dessen Zuge die österreichischen Synagogen und Bethäuser fast ausnahmslos zerstört, zahlreiche Geschäfte geplündert und Menschen misshandelt und ermordet wurden. Allein in Wien wurden fast 5.000 jüdische Männer verhaftet und in Konzentrationslager deportiert.

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Das Ende des Ersten Weltkrieges bedeutete auch das Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie. Aufgrund der Zerstörung des großen Wirtschaftsgebiets und wegen des unterentwickelten Landwirtschaftssektors kam es immer wieder zu Hungersnöten, die Ausschreitungen und Unruhen nach sich zogen. Inflation und Arbeitslosigkeit nahmen verheerende Ausmaße an.

Ab 1927 steigerten sich die gewalttätigen Zusammenstöße zwischen den politischen Gruppierungen zum latenten Bürgerkrieg. Parallel zur Entwicklung in Deutschland begann Anfang der 1930er-Jahre auch in Österreich der Aufstieg der NSDAP, die bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen im Frühjahr 1932 enorme Stimmengewinne verzeichnen konnte. Dies führte zu einer Zersplitterung des bürgerlichen Blocks und einem klaren Rechtsruck. Dementsprechend wurde der Ruf nach einem autoritären Staat und der Abschaffung von Parteienstaat und Demokratie laut. Gleichzeitig begann die Regierung unter Engelbert Dollfuß ab Herbst 1932, mit der Anwendung des „Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes“ zur Durchsetzung ihrer Ziele den Nationalrat zu umgehen, bis sie am 4. März 1933 einen abstimmungstechnischen Fehler nutzte, um das demokratische System schrittweise abzuschaffen. Fortan regierte sie mittels rechtswidriger Notverordnungen und errichtete eine Diktatur in Anlehnung an den italienischen Faschismus („Austrofaschismus“). Im Mai 1933 wurde der Kommunistischen Partei Österreichs jede Betätigung untersagt. Nach blutigen Kämpfen im Februar 1934 zwischen der Sozialdemokratie und der austrofaschistischen Regierung wurde die Sozialdemokratische Partei verboten.

Die Bombenanschläge der Wiener SS im Juni 1933 markierten den Beginn des terroristischen Kurses der österreichischen NSDAP. Trotz des Verbots der Partei am 19. Juni 1933 setzte die NSDAP, unterstützt durch Deutschland, ihre Terroraktionen in der Illegalität fort. Diese Entwicklung gipfelte im Putschversuch im Juli 1934, in dessen Verlauf Bundeskanzler Dollfuß von Angehörigen der Wiener SS ermordet wurde.

Das Verhältnis Österreichs zum nationalsozialistischen Deutschland verschärfte sich zunehmend, da das Deutsche Reich massiven politischen, wirtschaftlichen und militärischen Druck ausübte. Dies mündete schließlich im „Anschluss“ am 13. März 1938, der von vielen Österreicherinnen und Österreichern euphorisch begrüßt wurde. Mit dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht begann im März 1938 die NS-Herrschaft in Österreich.

Die Etablierung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Österreich war von brutalen Übergriffen auf die jüdische Bevölkerung sowie von tausenden Verhaftungen von politischen Gegnerinnen und Gegnern gekennzeichnet. Breite Teile der österreichischen Bevölkerung profitierten vom neuen System, viele beteiligten sich an Raub und Gewalt. Den Höhepunkt der judenfeindlichen Maßnahmen stellte dabei das organisierte Pogrom vom 9./10. November 1938 dar, in dessen Zuge die österreichischen Synagogen und Bethäuser fast ausnahmslos zerstört, zahlreiche Geschäfte geplündert und allein in Wien fast 5.000 jüdische Männer verhaftet und in Konzentrationslager deportiert wurden.

Aufbau Auschwitz

Von 1772 bis 1918 gehörte das Herzogtum Auschwitz zur Habsburgermonarchie, bis es nach Ende des Ersten Weltkrieges Teil Polens wurde. Nach dem Überfall der Deutschen Wehrmacht kam es im September 1939 auch in der Stadt Auschwitz, polnisch Oświęcim, zu heftigen Kämpfen. Auschwitz wurde Teil des Deutschen Reichs. Entsprechend der rassistischen „Lebensraum“-Politik sollte auch hier Platz für Deutsche geschaffen und die ansässige jüdische und nicht jüdische polnische Bevölkerung ausgesiedelt werden. Am 1. Februar 1940 befahl der Reichsführer SS Heinrich Himmler, nach einem geeigneten Standort für die Errichtung eines weiteren Konzentrationslagers zu suchen. Die Wahl fiel auf das ehemalige k.u.k. Kasernengelände in Auschwitz, da es über eine geeignete Bahnanbindung verfügte. Auschwitz wurde anfangs vor allem als Konzentrationslager für polnische Häftlinge verwendet, später kamen sowjetische Kriegsgefangene und schließlich andere verfolgte Gruppen, insbesondere Jüdinnen und Juden sowie Roma und Sinti, hinzu. Ab 1942 wurde Auschwitz zum größten Vernichtungslager für die jüdische Bevölkerung Europas.

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Am 27. April 1940 ordnete Heinrich Himmler die Errichtung eines Konzentrationslagers in Auschwitz an. Ende Mai 1940 kamen die ersten Häftlingstransporte an. Gemeinsam mit der polnischen Zivilbevölkerung wurden die Häftlinge zum Aufbau des später so genannten Stammlagers Auschwitz I gezwungen. In dieser Zeit war Auschwitz vor allem ein Konzentrationslager für polnische Häftlinge. Im Februar 1941 wurde es durch das Außenlager Monowitz erweitert, in dem Inhaftierte zur Zwangsarbeit für den deutschen Konzern IG-Farben eingesetzt waren. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Sommer 1941 begann in dem ca. drei Kilometer vom Stammlager Auschwitz I gelegenen Ort Brzezinka die Planung für das KZ Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II). Zunächst als Lager für sowjetische Kriegsgefangene gedacht, wurde es kurze Zeit später zu einem zentralen Vernichtungsort für die Jüdinnen und Juden Europas.

Bereits seit Herbst 1940 waren in Auschwitz Häftlinge durch Giftgas ermordet worden, zunächst im Stammlager, später auch in zwei ehemaligen Bauernhäusern in Birkenau. Im Dezember 1941 fiel die Entscheidung, in die Krematoriumsanlagen große Gaskammern zu integrieren. Damit wurde das KZ Auschwitz-Birkenau zum Vernichtungslager.

Eine Schlüsselrolle beim Aufbau des Lagerkomplexes kam der SS-Zentralbauleitung zu, die mit der Planung und Durchführung der Bautätigkeiten betraut war. Dabei nahmen einige Österreicher von Beginn an eine Schlüsselrolle ein, allen voran der aus Tirol stammende Architekt Walter Dejaco und der Architekt Fritz Ertl aus Oberösterreich. Der Bau der Vernichtungsanlagen wurde von dem wegen seiner Brutalität gefürchteten Salzburger Josef Janisch beaufsichtigt.

Der Lagerkomplex Auschwitz war somit eine Mischform aus Konzentrations-, Kriegsgefangenen-, Zwangsarbeits- und Vernichtungslager. Neben den drei zentralen Lagerteilen mussten Häftlinge aber auch in ca. 50 Außenlagern Zwangsarbeit leisten.

Strukturen

Das NS-Regime entwickelte zur Durchsetzung seiner Verfolgungs- und Vernichtungspolitik rasch eigene organisatorische Strukturen. Auf Betreiben Reinhard Heydrichs, des Chefs des Sicherheitsdienstes der SS in Berlin, wurde die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ in Wien geschaffen. Unter der Leitung von Adolf Eichmann entstand damit ein Modell für die systematische Beraubung und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung. Ab Herbst 1939 übernahm die „Zentralstelle“ auch die Organisation und Durchführung der Deportationen aus Österreich. Das NS-Regime zwang die Funktionäre der jüdischen Gemeinden, an der Vertreibung und späteren Deportation ihrer Mitglieder mitzuwirken.

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Nach dem „Anschluss“ wurde der nationalsozialistische Terrorismus der 1930er-Jahre durch staatlichen Terror abgelöst. Für die Ausübung der Gewaltmaßnahmen schuf das NS-Regime rasch institutionelle Strukturen. So nahm die Geheime Staatspolizei (Gestapo) Wien im ehemaligen Hotel Métropole Anfang April 1938 ihre Arbeit auf. Sie war mit über 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte Staatspolizeileitstelle des Deutschen Reichs. Am 1. April wurden die ersten österreichischen Gefangenen, vorwiegend Prominente aus Politik, Kunst und Kultur, von Wien in das KZ Dachau deportiert. Mit Kriegsbeginn 1939 wurde das auf Befehl Heinrich Himmlers errichtete Reichssicherheitshauptamt in Berlin zum maßgeblichen Instrument der Verfolgung all jener, die aus „rassischen“, politischen und weltanschaulichen Gründen zu Gegnerinnen und Gegnern des NS-Regimes erklärt worden waren. 1943 übernahm mit Ernst Kaltenbrunner ein Österreicher die Leitung des Reichssicherheitshauptamts, der damit an der Spitze der Vernichtungsmaschinerie stand. Die systematisch durchgeführten Verfolgungsmaßnahmen und Vertreibungen, die Entrechtung und Entmenschlichung zielten in erster Linie und in großem Maßstab auf die jüdische Bevölkerung und politisch Andersdenkende ab.

Die Gewaltmaßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung zeigten sich nach dem „Anschluss“ in vielfältiger Art und Weise, wie etwa in öffentlichen Demütigungen, Verhaftungen und körperlichen Übergriffen, Verwüstungen von Geschäften und Institutionen. Sofort setzten auch die „wilden Arisierungen“ ein: NS-Banden zogen plündernd durch die Straßen, ebenso nutzten Nachbarinnen und Nachbarn sowie Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner die Gunst der Stunde, um sich am Besitz der jüdischen Bevölkerung zu bereichern.

Die Pogromstimmung und der unkontrollierte Raub jüdischen Eigentums führten seitens des NS-Regimes zum Erlass gesetzlich-administrativer Maßnahmen einer „geordneten“ wirtschaftlichen Entrechtung von Jüdinnen und Juden. Auf Betreiben Reinhard Heydrichs, des Chefs des Sicherheitsdienstes der SS in Berlin, wurde die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ in Wien geschaffen. Unter der Leitung von Adolf Eichmann entstand damit ein Modell für die systematische Beraubung und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung. Mit der Errichtung der „Vermögensverkehrsstelle“ wurde der Raub legalisiert und flächendeckend durchgeführt, die „Arisierungsgewinne“ nun für das NS-Regime und ihre Anhängerinnen und Anhänger gesichert.

Die juristische Grundlage der Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung – Berufsverbote, Aberkennung der akademischen Grade, Enteignungen, Diskriminierung und Stigmatisierung, Wohnungsentzug und Ausbürgerung – wurde durch Sondergesetze geschaffen. Zehntausende österreichische Jüdinnen und Juden versuchten, nach Konfiszierung ihres Hab und Guts aus Österreich zu flüchten. Mit Beginn des Krieges war es kaum mehr möglich zu entkommen. Ab Herbst 1939 übernahm die „Zentralstelle“ auch die Organisation und Durchführung der Deportationen aus Österreich. Als besondere Perfidie wurden die so genannten Judenräte bzw. Ältestenräte zur Kooperation gezwungen.

Vor der Durchführung der Deportationen gab es zahlreiche Maßnahmen zur Erfassung der jüdischen Bevölkerung. Aus ganz Österreich wurden die Jüdinnen und Juden nach Wien zwangsübersiedelt und, so wie auch die Wiener Jüdinnen und Juden, in Sammelwohnungen konzentriert. Unmittelbar nach dem Überfall auf Polen 1939 wurden die ersten Deportationen durchgeführt. Über 1.000 Juden mit polnischem Heimatrecht wurden im Praterstadion tagelang festgehalten, misshandelt und schließlich nach Buchenwald deportiert. Im November 1939 erfolgte der so genannte Nisko-Transport, die erste Deportation ins Generalgouvernement.

Für die Deportationen der Jüdinnen und Juden arbeitete die „Zentralstelle“ mit der Wiener Schutzpolizei eng zusammen. Die österreichischen Roma und Sinti wurden zunächst vor allem in „Sammellager“ genannten Konzentrationslagern wie Lackenbach interniert und von dort deportiert, ab 1943 auch nach Auschwitz.

Der Großteil der österreichischen Opfer in Auschwitz war zuvor in anderen Konzentrationslagern interniert gewesen bzw. wurde aus Sammellagern und Ghettos nach Auschwitz deportiert. Viele wurden aus anderen Ländern, v.a. aus Frankreich, dorthin verbracht.

Strukturen Auschwitz

Nach den „Nürnberger Gesetzen“ als Jüdinnen und Juden Verfolgte sowie politisch Andersdenkende und Widerstand Leistende, Roma und Sinti, Zeugen Jehovas und vom NS-System als Homosexuelle, Kriminelle oder Asoziale kategorisierte Personen wurden aus Österreich deportiert, nahezu 8.000 Menschen direkt nach Auschwitz. Über 4.000 Österreicherinnen und Österreicher wurden über das KZ Theresienstadt, weitere 6.000 aus den besetzten Gebieten Europas oder anderen Konzentrationslagern nach Auschwitz verbracht. Hier wurden sie je nach Verfolgungsgrund unterschiedlichen Häftlingskategorien zugeteilt. Diese Zuordnung bestimmte über ihre Stellung in der Häftlingshierarchie und damit über die Haftbedingungen und ihre Überlebenschancen.

Die SS führte bei den Jüdinnen und Juden zumeist sofort nach ihrer Ankunft eine Selektion durch, die entschied, wer unmittelbar nach der Ankunft ermordet und wer in das Lager aufgenommen wurde. Österreichische SS-Angehörige, unter ihnen auch einige wenige Frauen, waren in unterschiedlichsten Funktionen am System der Entmenschlichung, Versklavung und Ermordung der Häftlinge beteiligt.

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Auschwitz war streng hierarchisch aufgebaut. In erster Linie bestimmte die Lagerleitung über Leben, Haftbedingungen und Tod der Deportierten. Aber auch Angehörige der Wachmannschaften, die Lager-Gestapo, KZ-Ärzte und andere Abteilungen gehörten zur Struktur des Terrors. Leitende Positionen im Lager nahmen etwa die aus Österreich stammenden Maximilian Grabner bzw. Hans Schurz als Leiter der Lager-Gestapo wie auch Maria Mandl als Oberaufseherin des Frauenlagers ein.

Das KZ-System beruhte außerdem auf einer Hierarchisierung der Gefangenen, die in verschiedene Häftlingskategorien eingeteilt wurden. An der Spitze dieser Hierarchie standen die Kapos, die als Schnittstelle zur Wachmannschaft fungierten und für die Bewachung der Häftlinge und deren Disziplinierung zuständig waren. Funktionshäftlinge bekamen einzelne „Privilegien“, wie etwa höhere Essensrationen, die Erlaubnis Pakete zu erhalten, zu rauchen oder das Häftlingsbordell zu besuchen. Am untersten Ende der Häftlingshierarchie standen jüdische Häftlinge sowie Roma und Sinti. Trotz dieser Kategorisierung waren letztendlich alle Häftlinge in ständiger Todesgefahr.

Innerhalb der knapp fünf Jahre des Bestehens des Lagerkomplexes Auschwitz veränderten sich die Aufgaben und Bedingungen immer wieder. Der angestrebte reibungslose Ablauf der industriellen Vernichtung wurde oft von Improvisation und Chaos begleitet. Wie an anderen Vernichtungsorten sollte der Massenmord im Geheimen passieren. Zu diesem Zweck wurde 1941 das ca. 40 km2 umfassende „Interessengebiet des KZ Auschwitz“, ein von der SS kontrolliertes Sperrgebiet, eingerichtet.

Die sich ständig verändernden Gegebenheiten in Auschwitz bewirkten auch eine permanente Erweiterung und Umstrukturierung des Lagerkomplexes. So wurde für die ab März 1942 neu hinzugekommenen weiblichen Häftlinge ein eigenes „Frauenlager“ und ein so genanntes Zigeunerlager für Roma und Sinti in Auschwitz-Birkenau geschaffen sowie das „Theresienstädter Familienlager“ für Tausende ab September 1943 aus dem KZ Theresienstadt deportierte Jüdinnen und Juden ebendort eingerichtet. Im Auftrag der deutschen Industrie wurde ein eigenes Konzentrationslager, Auschwitz III-Monowitz, errichtet, in dem Auschwitz-Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten.

Ausbeutung durch Sklavenarbeit, Raub, Verwertung und Mord dienten der Ökonomie des KZ-Systems. Dafür wurde unterschieden, wer weiterleben durfte und der Sklavenarbeit zugewiesen oder wer ermordet wurde. Alles sollte für die ökonomischen Interessen des Deutschen Reichs verwertet werden, das mitgebrachte Hab und Gut der Deportierten ebenso wie die Arbeitskraft der noch Arbeitsfähigen. Selbst die Körper der Ermordeten, ihre Haare oder Goldzähne wurden verwertet. Eine für das SS-Verwertungsmodell wichtige Einrichtung war das „Effektenlager“, genannt „Kanada“, damals allgemein ein Synonym für Reichtum, für das Häftlinge das Eigentum der Inhaftierten und Ermordeten zur Weiterverwertung sortierten. Seine Leitung unterstand dem Österreicher Franz Schebeck.

Handlungsmöglichkeiten

Das NS-Regime forderte von Beginn an absolute Zustimmung. Abgesehen von jenen, die von vornherein ausgeschlossen und verfolgt wurden, teilte sich die Bevölkerung in ideologisch Überzeugte, in solche, die Nutzen aus den neuen politischen Verhältnissen zogen, und in solche, die zu- oder wegschauten, sowie in eine Minderheit, die einzeln oder organisiert Widerstand leistete, trotz der damit verbundenen Lebensgefahr.

Die Führungselite des NS-Regimes trug die Verantwortung für den Massenmord. An den vorangegangenen Verfolgungsmaßnahmen und begangenen Verbrechen hatten allerdings Funktionäre auf allen Ebenen und viele andere ihren Anteil.

Für alle vom NS-Regime Verfolgten wurde der Handlungsspielraum immer enger. War Flucht anfangs noch eine Möglichkeit, wurde diese zusehends eingeschränkt. Als die Deportationen begannen, blieben fast nur Versteck oder Suizid als Handlungsoption.

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Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich und die vom NS-Regime gesetzten Maßnahmen stießen bei weiten Teilen der österreichischen Bevölkerung auf Zustimmung. Diese teilte sich in ideologisch Überzeugte oder solche, die vom neuen System profitierten, in passiv Beteiligte, die zu- oder wegschauten, sowie in solche, die ausgeschlossen und verfolgt wurden oder das System ablehnten und Widerstand leisteten.

Die Führungselite, die Adolf Hitler bedingungslos folgte, sah sich zu Verfolgung, Terror und Massenmord legitimiert. Aber erst das Zusammenspiel aller Ebenen bis hin zu einem breiten Denunzianten- und Spitzelsystem auf unterster Ebene sowie schließlich dem persönlichen Engagement Einzelner machte die Durchführung der Verfolgungsmaßnahmen möglich. Vor allem die Entrechtung und die Beraubung der jüdischen Bevölkerung boten zahlreiche Möglichkeiten, sich zu bereichern oder durch die Ausschaltung von Konkurrenz sozial aufzusteigen. Darüber hinaus boten sich neue Karrieremöglichkeiten für Regimetreue, oft auf Kosten anderer. Brutale Übergriffe, Festnahmen, Verfolgungsmaßnahmen und schließlich auch vorbereitende Maßnahmen zur Deportation wurden alltäglich und geschahen vor den Augen der Bevölkerung. Viele schauten zu, andere, die das Unrecht nicht guthießen, wandten sich ab, ohne jedoch selbst tätig zu werden.

Alle, die sich nicht systemkonform verhielten, waren in Gefahr, selbst Opfer der Verfolgung zu werden. Trotz der bestehenden Lebensgefahr entschlossen sich manche, Widerstand zu leisten. Die gesetzten Handlungen reichten dabei von der Hilfestellung für einzelne Verfolgte über das Verbreiten von antinazistischen Schriften bis hin zum bewaffneten Widerstand. Insbesondere unter den Mitgliedern des kommunistischen, aber auch des sozialistischen Widerstands gab es viele Todesopfer. Mit der Niederlage der Deutschen Wehrmacht bei Stalingrad 1943 mehrten sich bei einem Teil der kriegsmüden, desillusionierten Bevölkerung die Zweifel am Endsieg. Und so vergrößerte sich auch die Widerstandsbewegung gegen das NS-Regime in den letzten Kriegsmonaten.

Den vom NS-Regime Verfolgten blieben aufgrund ihrer zunehmenden Ausgrenzung mit der Zeit immer weniger Handlungsmöglichkeiten. Während zunächst die Flucht für viele Jüdinnen und Juden unter der erpressten Abgabe ihres Vermögens legal noch möglich war, wurde dies mit Beginn des Krieges unmöglich. Sie konnten nur noch versuchen, illegal das Land zu verlassen oder sich als „U-Boote“ zu verstecken. Manche wählten als letzte Möglichkeit den Freitod.

Nach der Besetzung Belgiens, der Niederlande und Frankreichs durch die Deutsche Wehrmacht waren die dorthin geflüchteten Jüdinnen und Juden, aber auch politisch Verfolgte aus Österreich, wiederum bedroht. Viele wurden schließlich in Zwischenlager wie Drancy, Gurs oder Westerbork interniert und von dort in die Konzentrations- und Vernichtungslager des Deutschen Reichs deportiert. Nur wenigen gelang es zu entkommen, also weiter zu flüchten oder im Versteck zu überleben.

Handlungsmöglichkeiten Auschwitz

Das hierarchische System von Auschwitz wies dem Lagerpersonal nicht nur bestimmte Zuständigkeitsbereiche und Aufgaben zu, sondern ermöglichte den Einzelnen auch, mehr oder weniger selbständig zu handeln. Viele nutzten ihre Machtposition aus, um Häftlinge zu quälen, zu bestrafen oder auch zu töten, vor allem aber um sich persönlich zu bereichern. Sie wurden nur selten dafür belangt.

Den Häftlingen in Auschwitz blieben hingegen kaum Möglichkeiten, gegen die Entmenschlichung anzukämpfen und ihre Identität zu bewahren. Auch wenn sie je nach ihrer Stellung in der Häftlingshierarchie unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten hatten, bedeutete das Lager doch für alle, permanent um ihr Überleben kämpfen zu müssen. Trotzdem gelang es einigen, sich zu organisieren. So begründeten polnische und österreichische Häftlinge eine internationale Widerstandsgruppe im Lager.

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Von der Lagerleitung abwärts waren alle in Auschwitz tätigen Personen auf unterschiedlichen Ebenen in die Mordmaschinerie von Auschwitz involviert. Nicht nur jene, die an den Schalthebeln saßen, wie etwa der Leiter der Politischen Abteilung, Maximilian Grabner aus Wien, oder die aus Oberösterreich stammende Oberaufseherin des Frauenlagers in Auschwitz-Birkenau, Maria Mandl, entschieden über Leben und Tod der Häftlinge. Das gesamte Lagerpersonal konnte Häftlinge eigenmächtig quälen, bestrafen, selbst töten oder ihre Ermordung veranlassen. Der Handlungsspielraum gegenüber den Häftlingen war damit mehr oder weniger uneingeschränkt. Dabei hing es nicht zuletzt von der Überzeugung und dem Engagement Einzelner ab, inwieweit sie sich persönlich an den Verbrechen schuldig machten. Auch der massenhafte Diebstahl des geraubten Eigentums der Deportierten hatte nur selten Konsequenzen für die Täterinnen und Täter. Nur wenige entschieden sich dafür, Häftlinge zu schützen oder zu helfen.

Zum Alltag des Lagerpersonals gehörten auch Erholung und Unterhaltung. Ausflüge wurden veranstaltet und ein Kulturprogramm angeboten. Sogar Ensemblemitglieder verschiedener österreichischer Kulturinstitutionen, so etwa vom Burgtheater, reisten dafür nach Auschwitz.

Zwischen Häftlingen und Lagerpersonal, zwischen Opfern und Täterinnen bzw. Tätern, agierten die von der Lagerleitung eingesetzten Kapos. Wenngleich selbst Inhaftierte, waren die Kapos Funktionsträger und -trägerinnen, die nicht nur das Lagerpersonal bei der Beaufsichtigung und Bestrafung von Häftlingen unterstützen mussten, sondern auch über einen wesentlich größeren Handlungsspielraum als ihre Mithäftlinge verfügten. Zumeist handelte es sich um politische Häftlinge oder so genannte Kriminelle, deren Lebensbedingungen besser waren als jene der jüdischen oder als „Zigeuner“ klassifizierten Häftlinge. Aufgrund ihrer Stellung in der Hierarchie des Lagers, nicht zuletzt aber auch durch ihre Verbindung zur SS, konnten Kapos durchaus auch das Leben von Häftlingen retten, wie zum Beispiel der Wiener Hans Schorr, der an der Rampe die Mutter Norbert Loppers vor der Gaskammer bewahren konnte. Andere Kapos nutzten ihre Stellung hingegen aus – bis hin zu sexueller Nötigung anderer Häftlinge oder sogar Mord. Obwohl Kapos dadurch selbst zu Tätern oder Täterinnen werden konnten, waren sie dennoch auch Opfer, die wie alle anderen gegen die Entmenschlichung des Lagers ankämpfen mussten.

Eine Handlungsmöglichkeit, vor allem für politische Häftlinge, bestand darin, sich zu organisieren: So waren der Wiener Heinrich Dürmayer, von September 1944 bis Jänner 1945 Lagerältester im Stammlager Auschwitz, oder der in der Schreibstube beschäftigte Hermann Langbein ebenso wie andere österreichische politische Häftlinge im Lagerwiderstand tätig. Die internationale „Kampfgruppe Auschwitz“ wurde von ihnen im Zusammenschluss mit dem polnischen Lagerwiderstand gegründet und stand im Kontakt mit Widerstandsorganisationen in Polen, aber auch in Österreich. Sie organisierte die Flucht von Häftlingen und brachte Informationen über das Vernichtungslager nach außen, in der Hoffnung, die Alliierten zu einem Eingreifen zu bewegen. Vor allem aber bot der Widerstand für seine Mitglieder Zusammenhalt und gegenseitige Hilfe und war ein Weg, der Unmenschlichkeit von Auschwitz entgegenzuwirken.

Im Unterschied dazu blieben den jüdischen Häftlingen oder Roma und Sinti wesentlich weniger Handlungsmöglichkeiten. Einigen wenigen gelang es, eine Erinnerung an ihr früheres Leben mit in das Lager zu schmuggeln, andere hielten zum Beispiel Liebe und Freundschaft, Religion oder auch der Wille, später Zeugnis von den Gräueln ablegen zu können, am Leben.

Die unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Lagerteilen bestimmten wesentlich die Handlungsmöglichkeiten der dort Inhaftierten. Wer nicht in eine privilegierte Stellung wie etwa in die Schreibstube kommen konnte oder über eine Ausbildung verfügte, die ihn oder sie für die Lager-SS nützlich machte, wer nicht über Beziehungen zu anderen Häftlingen oder zur Wachmannschaft verfügte oder wer einfach weniger Glück hatte, konnte unter den unmenschlichen Bedingungen in Auschwitz kaum überleben.

Befreiung

Die Niederlage der Deutschen Wehrmacht in der Schlacht von Stalingrad im Winter 1942/43 markierte den Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges. Danach begannen sich die militärischen Erfolge der Alliierten zu häufen, das Kriegsgeschehen rückte immer näher an das ehemalige österreichische Gebiet heran. Vor allem in den Städten wurde die Versorgung mit Lebensmitteln und Heizmaterial zunehmend schwieriger. Mit dem „Volkssturm“ und der Hitler-Jugend stellte das NS-Regime das letzte Aufgebot für den Krieg.

Angesichts des Vorrückens der Roten Armee löste die SS die Lager im Osten auf und evakuierte die Häftlinge, von denen viele in das KZ Mauthausen oder eines seiner zahlreichen Außenlager kamen. Zudem wurden massenhaft Häftlinge und jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter auf Todesmärschen durch Österreich getrieben. Vielerorts fanden bis zuletzt Massaker an den Gefangenen statt, oft unter den Augen und zum Teil auch unter Beteiligung der Bevölkerung. Nur in Einzelfällen wurde Hilfe geleistet.

Im Mai 1945 hatten die Alliierten das gesamte österreichische Bundesgebiet eingenommen.

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Nach der Niederlage von Stalingrad im Winter 1942/43 häuften sich die militärischen Erfolge der Alliierten. Ab August 1943 bombardierte die Luftwaffe der alliierten Streitkräfte auch Ziele in Österreich. Im November desselben Jahres wurde von den Außenministern der Sowjetunion, Großbritanniens und der USA die „Moskauer Deklaration“ beschlossen, die den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich für „null und nichtig“ erklärte.

Während sich die Versorgungslage im Deutschen Reich zunehmend verschlechterte, rief das NS-Regime zum „Totalen Krieg“ auf. Mit dem „Volkssturm“ ab Oktober 1944 und der Hitler-Jugend wurde das letzte Aufgebot für den Krieg gestellt. Von den schlecht ausgerüsteten und mangelhaft ausgebildeten Alten, Jugendlichen und Kindern wurde fanatische Kampfbereitschaft gefordert.

Die Lager im Osten wurden mit dem Rückzug der Deutschen Wehrmacht „evakuiert“ und aufgelöst, die verbliebenen Häftlinge wurden auf „Todesmärschen“ in den Westen, auch durch Österreich, getrieben. Für viele war das Ziel das KZ Mauthausen oder eines seiner zahlreichen Außenlager. Auf einem Todesmarsch nach Mauthausen ermordeten SS-Männer im Auffanglager Hofamt Priel bei Persenbeug in Niederösterreich 228 ungarische Jüdinnen und Juden in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1945. Auch an vielen anderen Orten fanden bis zuletzt Verbrechen und Massaker an den Gefangenen statt, oft unter den Augen und zum Teil auch unter Beteiligung der Bevölkerung. Nur in Einzelfällen wurde Hilfe geleistet, manchmal auch aus dem Kalkül, damit einer möglichen Bestrafung zu entgehen.

Während die Rote Armee im März 1945 die ungarisch-österreichische Grenze überquerte und sich nach Wien vorkämpfte, nahmen die amerikanischen und britischen Alliierten die westlichen Bundesländer ein. Die US-Armee befreite vom 5. bis 8. Mai 1945 das KZ Mauthausen und seine noch bestehenden Außenlager. Am 8. Mai kapitulierte die Deutsche Wehrmacht.
Das Ende des NS-Regimes empfand ein Teil der österreichischen Bevölkerung als Niederlage und Besatzung. Für andere bedeutete die Kapitulation die Befreiung. Noch während der Kämpfe um Wien beschlossen die Sozialistische und die Kommunistische Partei ihre Wiedergründung, die Österreichische Volkspartei trat an die Stelle der ehemaligen Christlich-Sozialen. Alle Parteien unterzeichneten am 27. April 1945 die Unabhängigkeitserklärung der Republik Österreich. Am selben Tag konstituierte sich die erste Provisorische Staatsregierung unter der Kontrolle der Alliierten Militärverwaltung.

Befreiung Auschwitz

Ab Herbst 1944 begannen die Transporte von Häftlingen aus Auschwitz in die Konzentrationslager im Inneren des Deutschen Reichs. Das Morden in Auschwitz ging dennoch weiter.

Gleichzeitig versuchte die SS, durch das Verbrennen der Verwaltungsakten und die Zerstörung der Gaskammern möglichst alle Spuren des Massenmords zu vernichten, indem sie die Vernichtungsanlagen sprengte und die schriftlichen Dokumente, die die Gräuel von Auschwitz belegten, verbrannte. Um dies zu verhindern, sicherten Häftlinge Beweise der dort begangenen Verbrechen. Am 27. Jänner 1945 wurde Auschwitz von der Roten Armee befreit. Ca. 35 österreichische Häftlinge befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch im Lager.

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Trotz des bevorstehenden Zusammenbruchs des NS-Regimes ging das Morden in Auschwitz weiter. Nach wie vor trafen Deportationszüge ein, deren Insassen zumeist sofort umgebracht wurden. Am 5. Oktober 1944 verließ der letzte Direkttransport mit 100 Jüdinnen und Juden Wien in Richtung Auschwitz. Teile der Vernichtungsanlagen von Auschwitz waren bereits abgebaut, mit dem Plan, sie an anderer Stelle wieder in Betrieb zu nehmen. Parallel dazu wurden die im Lager verbliebenen Häftlinge auf so genannten Todesmärschen in die Konzentrationslager im Inneren des Deutschen Reichs getrieben. Viele wurden von den Begleitmannschaften ermordet, starben auf dem Weg vor Hunger und Erschöpfung oder nach ihrer Ankunft in anderen Konzentrationslagern.

In der Endphase versuchte die SS auch im KZ Auschwitz, möglichst alle Spuren des Massenmords zu beseitigen. Die Vernichtungsanlagen von Auschwitz-Birkenau wurden gesprengt, ein Großteil der schriftlichen Dokumente verbrannt oder weggebracht. Um dies zu verhindern, sicherten Häftlinge Beweise der dort begangenen Verbrechen. So verbarg der Wiener Arzt Otto Wolken seine geheim angefertigten Aufzeichnungen über Selektionen und Sterbezahlen. Er selbst versteckte sich bis zum Abzug der SS im Lagerbereich von Auschwitz und kümmerte sich anschließend um kranke Häftlinge.

Am 27. Jänner 1945 wurde Auschwitz von der Roten Armee befreit. Ca. 35 österreichische Häftlinge befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch im Lager. Einige politische Häftlinge, darunter Franz Danimann und Kurt Hacker, richteten im Block 8 des Stammlagers einen „Österreicher-Block“ ein, auf dessen Innenwand Heinrich Sussmann eine große rot-weiß-rote Fahne malte. Alle verbliebenen Häftlinge wurden nun durch die Rote Armee und das kurz danach eintreffende Rote Kreuz versorgt, und die Rückführung in ihre Heimatländer wurde vorbereitet. Materielle Reste des Lagers, Kleidung, Holz und Baumaterial wurden an polnische Bedürftige verteilt, die Anlage selbst bereits im Sommer 1947 zur Gedenkstätte erklärt.

Gedenkbereich

Glasfenster für die österreichische Ausstellung in der Gedenkstätte
Auschwitz-Birkenau 1978, gestaltet von Heinrich Sussmann

„Die Absicht war bei den Glasfenstern eigentlich die, die Menschen, die dort malträtiert worden sind, zerstückelt, verbrannt, auseinandergenommen, um Goldzahne zu entfernen, (…) wieder als Ganzes darzustellen. Nicht zerstückelt. Nicht als Fleischstücke, sondern als ganze Menschen, die sie ursprünglich gewesen sind.“
Interview mit Heinrich Sussmann, 1985

Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus

Heinrich und Anna Sussmann wurden als Jude bzw. Jüdin verfolgt, heirateten 1937 in Paris und schlossen sich dort der kommunistischen Widerstandsbewegung an. Das Ehepaar wurde im Juni 1944 von der Gestapo gefasst und nach Auschwitz deportiert. Anna Sussmann war zu diesem Zeitpunkt hochschwanger. Im Frauenlager brachte sie ihren Sohn zur Welt, der sofort nach der Geburt ermordet wurde. In den Interviews erzählen die beiden von ihren Leiden im Konzentrationslager.

Interview mit Heinrich und Anna Sussmann
Interviewmaterial (Audio) von Hugo Portisch, 1983

Archiv des österreichischen Rundfunks, Wien

Interview mit Heinrich Sussmann
Interview mit Anna Sussmann