Margareta Glas-Larsson

(Wien 1911 – Wien 1993): Blockälteste im Frauen-Häftlingskrankenbau

Die Liebe zu einer Frau als Lebensanker

Als der Historiker Gerhard Botz 1981 seine Gespräche mit Margareta Glas-Larsson unter dem Titel „Ich will reden“ veröffentlichte, provozierte das Buch aufgrund der Offenheit der Aussagen. Einerseits wurden Tabuthemen wie gleichgeschlechtliche Liebe angesprochen, andererseits sprach hier eine aus der Perspektive der kleinen Gruppe der obersten Häftlingshierarchie, denn Margareta Glas-Larsson war Blockälteste des Frauen-Häftlingskrankenbaus von Birkenau. Ein äußerst heikles Thema dabei war die „Vorselektion“ im Krankenbau seitens der Häftlinge, die Schwächere und Kranke so platzierten, dass sie bei der Selektion von der SS zur Ermordung eher ausgesucht wurden und sie andere schützen und damit retten konnten. Glas-Larsson nahm sich kein Blatt vor den Mund, insofern sind ihre Erinnerungen eine wichtige Quelle geblieben.

Aufgewachsen ist sie in einer bürgerlichen jüdischen Familie in Wien – ihr Vater kam im Ersten Weltkrieg ums Leben. Sie verliebte sich sehr jung in einen Fabrikantensohn, Georg Glas, einen getauften Juden, der monarchistisch und antisemitisch eingestellt war. Nach einer Schussattacke musste ihm ein Bein amputiert werden. Die beiden zogen ins nordböhmische Zwickau (Cvikov), wo die Familie eine Fabrik für Seidenstoffe betrieb. Das von Glas-Larsson als leichtsinnig-oberflächlich beschriebene Leben nahm mit der Besetzung durch das Deutsche Reich ein jähes Ende. Das Ehepaar schaffte es nicht, rechtzeitig zu fliehen. Im Oktober 1941 wurde sie aufgrund vorgeworfener Rassenschande mit einem „arischen“ Bekannten verhaftet, 1942 in das KZ Theresienstadt und schließlich nach Auschwitz-Birkenau verlegt, wo sie im Mai 1943 ankam. Wie andere erhielt sie eine Häftlingsnummer – 44246 – eintätowiert, sämtliche Körperhaare wurden abgeschoren. Sie hatte ein Andenken von ihrem Mann mit, eine sehr kleine Figur eines sitzenden Buddhas, die sie nun nackt nicht mehr verstecken konnte. Sie durfte ihn ausnahmsweise behalten, und er begleitete sie ihr weiteres Leben lang. Flecktyphus zwang sie in den Häftlingskrankenbau, und es gelang ihr, dort eine Arbeit zu erhalten. Dies war eine Chance zu überleben, da etwa die Versorgung besser war als in den Häftlingsbaracken. Geschützt wurde sie von der Lagerältesten im Häftlingskrankenbau, Orli Reichert-Wald (1914–1962), einer kommunistischen Deutschen, die als „Engel von Auschwitz“ in die Erzählungen der überlebenden Frauen von Auschwitz einging. Margareta Glas-Larsson sprach offen über ihre Liebesgefühle zur Lagerältesten und wie sehr ihr diese die Kraft verliehen, sie „stark am Leben“ zu erhalten. Einmal entdeckte sie die Oberaufseherin Maria Mandl im Zimmer der Lagerältesten, beschimpfte sie als „Saujüdin“, die hier nichts zu suchen habe, zog sie an den kurzen Haaren und schlug sie mit ihrer Peitsche blutig. Margareta Glas-Larsson arbeitete in unterschiedlichen Funktionen, etwa als Pflegerin; schließlich wurde sie selbst Blockälteste, die vor allem für „Ordnung“ im Block sorgen musste und gegenüber der SS verantwortlich war.

Ihre Erzählungen sind voller Erinnerungssprengsel, über ihre Liebe, aber auch über die Rettung ihres Ehemannes, der in Auschwitz als Amputierter eigentlich keine Chance auf ein Überleben hatte, oder über die Gefahr, durch Krankheit oder Denunziation ums Leben zu kommen.

Nach Zwischenstationen in der Tschechoslowakei und in Schweden, wo ihr Bruder mit seiner Familie hingeflüchtet war, kehrte sie nach Wien zurück und betrieb ein Kosmetikgeschäft in der Lehárgasse.

Literatur

Margareta Glas-Larsson, Ich will reden. Tragik und Banalität des Überlebens in Theresienstadt und Auschwitz, hrsg. von Gerhard Botz, Wien-München-Zürich-New York 1981.

Gerhard Botz, Jutta Hangler, Erinnerungen einer Wiener Auschwitz-Überlebenden: Margareta Glas-Larsson (1911–1993), Wien-Salzburg 2002 (= LBIHS-Projektberichte, Nr. 8).