Leo Luster

(Wien 1927 – Tel Aviv 2017): Jüdischer KZ-Überlebender

„Was kommt, ist alles egal. Überlebst du's – gut, wenn nicht – auch gut. Ende!“

Diese knapp nach der Befreiung im KZ Blechhammer, einem Außenlager des KZ Auschwitz, verfassten Zeilen charakterisieren den eigentlich unbeschreiblichen Gemütszustand des Überlebenden Leo Luster. Das ist alles andere als eine fatalistische Haltung, sondern eher eine, die nicht verschweigt, dass Hoffnungslosigkeit und Hoffnung ineinandergriffen, die Kraft zu oft verloren schien. Leo Luster kam 1944 von Theresienstadt in das KZ Auschwitz, sein 53-jähriger Vater wurde nach der Ankunft sofort ermordet. Leo Luster wurde in das Außenlager Gleiwitz gebracht, wo in Zwangsarbeit Eisenbahnwaggons repariert wurden. Die autobiografischen Texte von Leo Luster haben durchaus literarische Qualität, wie die folgende Passage zeigt: „Bis zum Letzten pressen sie dich aus, die verlogenen Hunde, und faseln von Kultur. Treten, töten, peitschen, vergasen, erschlagen Tausende – und sprechen von Kultur ... Aber du bist müde, denkst nur noch an das kommende Essen, an den Schlaf.“

Leo Luster wuchs mit seinen Eltern und seiner sechs Jahre älteren Schwester Helene in einer Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung in der Schreygasse 12 in der Leopoldstadt in Wien auf. Es handelte sich um eine jüdisch-religiöse Familie, weswegen Leo in die für fromme jüdische Kinder vorgesehene Talmud-Thora-Schule in der Malzgasse 16 ging. Beide Eltern stammten aus Galizien, sein Vater lebte davon, die Waren einer Textilfabrik in Gänserndorf zu verkaufen. Antisemitismus gehörte zu seiner Kindheit, aber ebenso das spezifische Wiener Phänomen, dass nämlich die angepassten jüdischen Ortsansässigen auf die „polnischen“ Jüdinnen und Juden abschätzig runterschauten. Seiner Mutter war angesichts ihres ausgeprägten jiddischen Akzents die Herkunft leicht anzumerken.

Nach dem „Anschluss“ verlor der Vater seine Arbeit als Vertreter und wurde während des Novemberpogroms verhaftet. Der Hausmeister war ein Nationalsozialist, ging in die Wohnung und warf die Familie hinaus. Sie musste in eine Kellerwohnung ziehen. Dass sein Vater eine Arbeit bei der Israelitischen Kultusgemeinde fand, schützte die Familie vorübergehend und half dabei, dass die Tochter Helene illegal nach Palästina flüchten konnte. Im September 1942 musste sich die Familie im Sammellager in der Kleinen Sperlgasse 2a, der ehemaligen Schule von Leo Luster, einfinden. In offenen Lastautos wurden sie zum Aspangbahnhof gebracht. Wie andere beschrieb er den antijüdischen Hass von Menschen in Wien: „Wir wurden noch mit Tomaten beworfen und die Wiener riefen: ‚Raus mit euch Juden!‘“

Nach der Befreiung durch die Rote Armee suchte Leo Luster zunächst seine Mutter und fand sie tatsächlich in Theresienstadt. Er musste aber auch die traurige Nachricht überbringen, dass ihr Ehemann, sein Vater, nicht überlebt hatte. Nach einem Aufenthalt in Wien und in einem Lager für jüdische Überlebende im bayrischen Deggendorf wanderte Leo Luster 1949 mit seiner Mutter in das neu gegründete Israel aus. Nach neun Jahren traf er seine Schwester wieder, die inzwischen zwei Kinder hatte: „Sie hatte mich verlassen, da war ich noch ein kleiner Bub, gerade sechs Jahre alt. Und ich kam zu ihr als junger Mann, das ist schwer zu beschreiben.“

Literatur und Quellen

Leo Luster, Die Feuer von Auschwitz lodern und brennen
Leo Luster, Wir fahren aus Theresienstadt …
Leo Luster, Nachtschicht
Alle: https://www.nationalfonds.org/leo-luster-664.html (23.11.2021).

Interview Tanja Eckstein mit Leo Luster, August 2010: http://www.centropa.org/de/biography/leo-luster (23.11.2021).

Interviews mit Leo Luster sind abrufbar im Projekt „weitererzählen“: https://www.weitererzaehlen.at/interviews/leo-luster (23.11.2021).