Heinrich Dürmayer

(Atzgersdorf bei Wien 1905 – Wien 2000): Jurist, Antifaschist, Kommunist

Letzter Lagerältester des „Stammlagers“, September 1944 bis Jänner 1945

Heinrich Dürmayer wurde am 10. April 1905 in Atzgersdorf bei Wien als Sohn des Schlossermeisters Peter Dürmayer und seiner Frau Karoline geboren. Beide Eltern wurden später Mitglieder der NSDAP. Dürmayer studierte Rechtswissenschaften an der Wiener Universität und arbeitete danach als Anwalt. Damals noch sozialdemokratisch, kämpfte er im Bürgerkrieg 1934. Danach wurde er aktives Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs, was ihm nach deren Verbot durch die austrofaschistische Bundesregierung eine 17-monatige Haftstrafe und danach die Inhaftierung im Anhaltelager Wöllersdorf einbrachte. Ab Jänner 1937 engagierte sich Dürmayer im Kampf der Internationalen Brigaden gegen das spanische Franco-Regime. Seine Frau Renée arbeitete als Pharmazeutin in der Zentralapotheke der Internationalen Brigaden.

Wie viele Österreicherinnen und Österreicher floh er nach der Niederlage der Republikaner nach Südfrankreich und wurde in verschiedenen Lagern interniert. Von dort wurde er nach der Besetzung Frankreichs durch das Deutsche Reich ausgeliefert, zur Gestapo Wien verbracht und von da in ein Konzentrationslager. Das KZ Flossenbürg war seine erste Station. Im Jänner 1944 wurde er in das „Stammlager“ des KZ Auschwitz-Birkenau überstellt. In wenigen Monaten nahm Dürmayer dort zunächst eine Funktion in der Lageraufsicht, dann in der Schreibstube und danach als Kapo in der SS-Bekleidungskammer ein. Von September 1944 bis zur Befreiung von Auschwitz hatte er die Funktion des Lagerältesten inne, der höchste Rang eines Funktionshäftlings im System der Konzentrationslager. Als solcher war er unmittelbar dem Schutzhaftlagerführer unterstellt, musste für den reibungslosen Ablauf des Lageralltags sorgen, erhielt aber auch zahlreiche Privilegien, was Kleidung, Unterbringung und Verpflegung betraf.

Heinrich Dürmayer hatte sich schon im KZ Flossenbürg im Lagerwiderstand engagiert. In Auschwitz wurde er rasch zu einem führenden Mitglied der „Kampfgruppe Auschwitz“. Auch seine spätere zweite Ehefrau Judith/Janka war im Lagerwiderstand in Auschwitz – Heinrich Dürmayer dachte, seine erste Frau Renée habe nicht überlebt, tatsächlich war sie in der französischen Résistance aktiv. in der Kampfgruppe Auschwitz war Heinrich Dürmayer Nachfolger Hermann Langbeins in der Internationalen Leitung, zuständig dafür, auf die SS einzuwirken, um Repressionsmaßnahmen zu mindern und die Situation der Häftlinge zu verbessern. Zwei Tage vor der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee wurde Dürmayer nach Mauthausen deportiert, wo er erneut ein führendes Mitglied des Lagerwiderstands wurde. Am 4. Mai 1945, einen Tag vor der Befreiung des KZ Mauthausen, wurde er auch dort zu dessen letztem Lagerältesten.

Noch im selben Monat wurde er im befreiten Österreich von der Provisorischen Regierung Renner mit der Leitung der Staatspolizei beauftragt. In dieser Funktion gelang es ihm, bereits im August 1945 Maximilian Grabner, den ehemaligen Leiter der Politischen Abteilung des KZ Auschwitz-Birkenau, zu verhaften. Die Aufnahme zahlreicher Kommunisten in den Polizeidienst sowie seine prononciert prosowjetische Politik führten im Zuge des beginnenden Kalten Krieges zu seiner Absetzung im September 1947.

In den nächsten Jahrzehnten arbeitete Dürmayer wieder als Rechtsanwalt. Er gründete die österreichische Vereinigung der ehemaligen Spanienkämpfer und war langjähriger Generalsekretär des Internationalen Mauthausen Komitees. Was die Erinnerungsarbeit an Auschwitz betrifft, war Dürmayer in eine jahrzehntelange Kontroverse mit Hermann Langbein verstrickt: Langbein, der ihm vorgeworfen hatte, als Mitglied des Lagerwiderstands zu engen Kontakt mit der Lager-SS gehabt zu haben, wurde von Dürmayer auf mehreren Ebenen bekämpft. So nützte er die öffentliche Kritik Langbeins am Geheimprozess gegen den ungarischen Regierungschef Imre Nagy als Anlass, um nach Polen zu reisen und Langbeins Absetzung als Generalsekretär des Internationalen Auschwitz Komitees zu erreichen. Zeitlebens setzte sich Dürmayer für die Errichtung einer kommunistischen Diktatur ein. Er starb am 22. September 2000 in Wien.

Literatur

Hermann Langbein, Menschen in Auschwitz, Frankfurt 1980.

Raphael Gross, Werner Renz (Hrsg.), Der Frankfurter Auschwitz-Prozess (1963–1965). Kommentierte Quellenedition, Frankfurt 2013 (= Wissenschaftliche Reihe des Fritz Bauer Instituts, Band 1).

Vernehmung des Zeugen Heinrich Dürmayer im 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess am Landgericht Frankfurt am Main, 22. Juni 1964: https://www.auschwitz-prozess.de/zeugenaussagen/Duermayer-Heinrich/ (27.08.2019).

Bruno Baum, Widerstand in Auschwitz, Berlin 1949, 1957 bzw. 1962.