Friedl Dicker-Brandeis

(Wien 1898 – Auschwitz 1944): Als Kunstpädagogin im KZ

Den Kindern Hoffnung geben

Friedl Dicker-Brandeis, 1916
public domain

Aufgewachsen ist Friedl Dicker-Brandeis in einer vergleichsweise armen jüdischen Familie in Wien. Dass ihre Mutter verstarb, als sie erst vier Jahre alt war, wird oft als Ursache für ihre außergewöhnliche Hingabe als Kunstpädagogin für Kinder gesehen. Friedl Dicker-Brandeis besuchte während des Ersten Weltkriegs in Wien die Privatschule des Malers und Kunsttheoretikers Johannes Itten, dem sie 1919 nach Weimar ans Bauhaus folgte. Als politisch progressive Künstlerin wollte sie mit ihrer Arbeit dazu beitragen, eine sozial gerechtere Welt zu schaffen. Ab 1923 arbeitete sie in Berlin und Wien, wo sie 1934 wegen ihrer politischen Aktivitäten vorübergehend inhaftiert wurde, danach wirkte sie in Prag und Hronov, Böhmen. Sie war ein vielseitiges Multitalent: Malerin, Produzentin von Kinderspielzeugen und Textilarbeiten, Kostümdesignerin fürs Theater, Covergestalterin von Büchern, Möbel- und Architekturdesigns. In Wien unterrichtete sie Kunst für die Kindergartenausbildung. Nachdem in Deutschland der Nationalsozialismus die Macht übernommen hatte, engagierte sie sich kunstpädagogisch für Flüchtlingskinder aus NS-Deutschland.

Trotz ihrer vielen Talente und kreativen Arbeiten ereilte sie das Schicksal vieler Künstlerinnen ihrer Zeit: Sie wurden lange Zeit weitgehend missachtet und vergessen. Doch wer immer sich mit der Geschichte des KZ Theresienstadt und den dort entstandenen Kinderzeichnungen beschäftigt, kommt nicht um sie herum. Dort wurde sie 1942 gemeinsam mit ihrem Ehemann Pavel Brandeis interniert. In den folgenden zwei Jahren wurde sie für die im KZ internierten Kinder enorm wichtig, da sie ihnen trotz des Mangels an Zeichenmaterial Zeichenkurse gab. Sie hatte damit bereits in Wien Erfahrungen gesammelt und orientierte sich dabei an der Reformpädagogik. Ein Charakteristikum ihrer Arbeit mit den Kindern war die große Aufmerksamkeit gegenüber dem kindlichen Einfallsreichtum; sie begleitete die Kinder dabei, ihre eigene Kreativität zu entdecken. Ihr Wirken hinterließ viele wertvolle Spuren: die Zeichnungen der Kinder, aber auch die positiven Erinnerungen der von den Ereignissen traumatisierten Kinder, die überleben konnten. Beim Zeichenunterreicht ging es nicht nur darum, dass die Kinder mit den Zeichnungen ihre Hoffnung ausdrücken und Selbstvertrauen gewinnen, sondern auch ihre Ängste in den Zeichnungen in einer Art therapeutischer Intervention für einen kurzen Moment ablegen konnten.

Eva Štichová-Beldová, die im Sommer 1944 als Assistentin von Friedl Dicker-Brandeis arbeitete, erinnerte sich: „In den sogenannten Freistunden wurde kein Thema vorgegeben, die Kinder sollten nicht einmal nachdenken – einfach zeichnen, sich sammeln, träumen und dann wieder zeichnen, was immer dabei auch herauskäme. Ziel dieser Stunden war die spontane Äußerung, die zur Befreiung des Geistes führen sollte. [...]“

(Fritzsch, S. 75.)

Als ihr Mann nach Auschwitz deportiert wurde, meldete sich Friedl Dicker-Brandeis freiwillig für den Transport. Sie wurde am 6. Oktober 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert. Von den 1.550 Deportierten überlebten nur 112 Personen, die anderen wurden ermordet, unter ihnen am 9. Oktober 1944 Friedl Dicker-Brandeis. Ihr Mann überlebte.

Literatur

Katrin Fritzsch, Friedl Dicker-Brandeis. Bauhausschülerin, Malerin, Pädagogin. Diplomarbeit, Wien 2010.

Julie M. Johnson, The Other Legacy of Vienna 1900: The Ars Combinatoria of Friedl Dicker-Brandeis. In: Austrian History Yearbook 51 (2020), S. 243–268.

Elena Makarova, Friedl Dicker-Brandeis. Ein Leben für Kunst und Lehre, Wien-München 1999.