Franz Wunsch

(Drasenhofen 1922 – Wien 2009): Verbotenes Verhältnis

Leiter des Effektenlagers „Kanada“

Der Niederösterreicher Franz Wunsch, geboren 21. März 1922 in Drasenhofen, kam mit gerade mal 20 Jahren als Sturmmann der SS nach Auschwitz. Er war knapp nach seinem 18. Geburtstag der SS beigetreten und bis zu seinem Dienstantritt bereits an der West- und Ostfront im Einsatz gewesen. Erste Erfahrungen mit dem KZ-System hatte er bei einem kurzen Diensteinsatz in der Verwaltung des KZ Dachau gemacht.

Grundsätzlich war Wunsch in Auschwitz-Birkenau als Leiter des Effektenlagers eingesetzt, das im Lagerjargon „Kanada“ genannt wurde, aber auch als Kommandoführer in der Lederfabrik und im Sonderkommando. Als solcher nahm er an vielen Selektionen an der Rampe teil und verlud schwache und nicht gehfähige Menschen auf die Lastkraftwagen, die sie direkt zu den Vernichtungsanlagen brachten. Er begleitete sie zu den Gaskammern, täuschte sie über ihr wahres Schicksal und zwang sie bei Bedarf zum Betreten der Gaskammer. Spätere Aussagen von Überlebenden bezeugten bei all diesen Vorgängen Wunschs besondere Brutalität. In der SS war er dafür zunächst zum Rottenführer, dann zum Unterscharführer befördert worden.

Am 30. Oktober 1942 hörte er bei einer musikalischen Darbietung durch eine Gruppe von Häftlingen den Gesang einer jungen Frau, Helena Citron, die als Jüdin aus der Slowakei nach Auschwitz deportiert worden war. Franz Wunsch verliebte sich in Helena Citron, begann mit ihr ein Verhältnis und rettete ihr und ihrer Schwester das Leben. Überlebende berichteten, dass sich Wunsch ab diesem Zeitpunkt weniger brutal verhalten habe. Eine andere Aussage beschuldigte Wunsch aber des Mordes an einem griechischen Häftling beim Aufstand des Sonderkommandos am 7. Oktober 1944.

Von den zahlreichen Diebstählen aus dem erbeuteten Gut, das in „Kanada“ gelagert wurde, kamen nur die wenigsten ans Tageslicht. Franz Wunsch wurde einmal dabei erwischt, als er ein paar Kleinigkeiten – Lederhandschuhe, Zigaretten, ein Jagdmesser und eine Taschenlampe – entwendet hatte, und wurde dafür vom SS-Gericht in Kattowitz zu fünf Wochen strengem Arrest in Einzelhaft verurteilt. Dies sollte seine letzte Strafe sein. Nach dem Krieg als Reisender in Wien tätig, wurde er am 25. August 1971 verhaftet und im zweiten Wiener Auschwitz-Prozess vom 25. April bis 27. Juni 1972 vor Gericht gestellt.

Franz Wunsch hatte nach der Befreiung über den Internationalen Suchdienst des Roten Kreuzes versucht, Helena Citron ausfindig zu machen. Doch sie, die mittlerweile in Israel lebte, hatte die Kontaktaufnahme verweigert. 1972 sagte sie jedoch in Wunschs Prozess als Zeugin aus und trug zu seiner Entlastung bei. Er wurde am 27. Juni 1972 freigesprochen und auf freien Fuß gesetzt. Er starb am 23. Februar 2009 in Wien.

Literatur und Quellen

Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon, Frankfurt am Main 2013, S. 445.

Christiane Rothländer: Endbericht „Österreicher und Österreicherinnen in der Konzentrationslager-SS Auschwitz-Birkenau. Eine Untersuchung zu Quantität und Sozialstruktur. Wien. unveröffnetl. Manuskript 2018.

R. Garscha, S. Loitfellner: Die Wiener Auschwitzprozesse des Jahres 1972: Otto Graf und Franz Wunsch. In: nachkriegsjustiz.at, März 2005; http://www.nachkriegsjustiz.at/prozesse/geschworeneng/wunsch_graf.php.

Film: Liebe war es nie. Dokumentarfilm. Israelisch-österreichische Koproduktion von Nir Sa’ar und Kurt Langbein (Sohn des Widerstandskämpfers und KZ-Häftlings Hermann Langbein). Regie: Maya Sarfati, Israel/Österreich 2019.