Franz Danimann

(Lugoj, Rumänien 1919 – Wien 2013): Politischer Häftling in Auschwitz I

Wer schweigt, stimmt zu: Leben im Widerstand

Die Kindheit und Jugend von Franz Danimann war familiär sozialdemokratisch geprägt, sein Ziehvater wurde im Jänner 1934 bei einer Waffensuche in Schwechat verhaftet. 1935 begann Danimann eine Gärtnerlehre am Wiener Zentralfriedhof. In der Fortbildungsschule für Gärtner schloss sich der Jugendliche einer Widerstandsgruppe rund um die illegale freie Gewerkschaftsbewegung und den Kommunistischen Jugendverband an, die sich gegen den Austrofaschismus und für die Wiederherstellung eines demokratischen Österreich engagierten, aber auch den Aufstieg der NS-Gefahr bekämpften. Noch am 11. März 1938 nahm Danimann in Schwechat an einer Demonstration für die Unabhängigkeit des Landes unter der Parole „Freiheit Österreich, rot-weiß-rot, bis in den Tod“ teil.

Widerstand gegen den Austrofaschismus zu leisten konnte zu Problemen mit der Ordnungsmacht und zur Verhaftung führen, doch Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu leisten war lebensgefährlich. Franz Danimann wusste das und entschied sich dennoch dafür. Als Auslöser nannte er die brutalen antijüdischen Ausschreitungen unmittelbar nach dem „Anschluss“. Wie in Wien wurden auch in Schwechat Jüdinnen und Juden zusammengefangen und mussten kniend mit Zahnbürsten die Straßen reinigen. Unter den Zusehenden habe es drei Gruppen gegeben. Die erste sei der Nazipropaganda gefolgt: „Ja, g‘schieht ihnen recht, den Juden, … sollen‘s endlich etwas arbeiten.“ Eine andere Gruppe habe still zugesehen, und eine dritte Gruppe sei kopfschüttelnd weggegangen. Danimann erkannte einen Schulkollegen aus der Hauptschule, der nun als Hitlerjugend-Führer das demütigende Schauspiel leitete. Er konfrontierte ihn: „Geniert‘s ihr euch nicht, … so ein Theater zu machen da?“ Der HJ-Führer meinte: „Ah so, das sind deine Freunde? … Knie dich nieder, kriegst auch a Zahnbürstl und … mach auch mit.“ Franz Danimann fuhr mit dem Fahrrad heim, aber ab diesem Zeitpunkt war ihm klar, dass er gegen das NS-Regime aktiv kämpfen müsse. In Simmering beteiligte er sich am Aufbau des Kommunistischen Jugendverbands, deren Mitglieder Anfang 1939 in einer Aktion Flugblätter als Streuzettel auf die Straße warfen. Damit wollten sie der NS-Propaganda etwas entgegensetzen. Es weise alles darauf hin, so die gerechtfertigte Warnung ihrer Flugblätter, dass die NS-Beschäftigungspolitik lediglich der Kriegsvorbereitung diene.

Die Widerstandsgruppe flog auf. Franz Danimann wurde Anfang 1939 festgenommen und wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Nach Verbüßung der Haft wurde er jedoch nicht freigelassen, sondern 1942 in das KZ Auschwitz gebracht. Noch im selben Jahr wurde ihm in Wien abermals ein Prozess gemacht, da er in der Haft auf Mitgefangene kommunistisch eingewirkt habe. Zu seinem eigenen Erstaunen wurde er freigesprochen und nicht – wie er befürchten musste – zum Tod verurteilt. Erneut wurde er in das KZ Auschwitz gebracht, wo er im Stammlager bis zur Befreiung durch die Rote Armee am 27. Jänner 1945 überlebte. An diesem Tag sei er zum zweiten Mal auf die Welt gekommen, meinte er in einem Interview.

Im KZ Auschwitz arbeitete Danimann anfangs für die Gartenbauleitung im Garten des KZ-Kommandanten Rudolf Höß, danach in einem Straßenbaukommando und in den Deutschen Ausrüstungswerken. Schließlich gelang es ihm, im Häftlingskrankenbau unterzukommen, zunächst als Hilfspfleger. Dort versuchte er, „psychisch zu helfen, nämlich Häftlingen, wenn sie am Ende waren, wenn sie … nicht mehr weiter leben wollten. … Ich bin ja selbst mehrfach so weit gewesen, dass ich gesagt habe zu einem Mithäftling: ‚Ich gehe am Draht.‘ Darunter war zu verstehen, dass ich mich in den elektrisch geladenen Stacheldraht werfe und man war sofort tot. … Und es hat sich immer wieder jemand gefunden, … der mir auch geholfen hat und … Kraft geben konnte, um also nicht zu verzweifeln.“ Später wurde Franz Danimann Blockschreiber und vorübergehend Blockführer. Er war auch Mitglied der Kampfgruppe Auschwitz, „aber ich war nur ein ganz kleines Rädchen“, erzählte er in einem Interview. Unmittelbar nach der Befreiung versuchte er mit anderen, die zurückgelassenen Dokumente im KZ zu sichern. Diese sollten später wichtige Grundlage für Gerichtsverfahren werden.

Noch vor Kriegsende kehrte er nach Wien zurück und schrieb am Zeitungsartikel „Die Hölle von Auschwitz. Sechs Millionen Ermordete klagen an“ mit, der am 5. Mai 1945 in der Zeitung „Neues Österreich“ erschien. Zunächst war er in der Abteilung zur Ermittlung von Kriegsverbrechern bei der Bundespolizeidirektion Wien tätig, studierte Jus und arbeitete schließlich in der Arbeitsmarktverwaltung.

Literatur

Franz Danimann, Flüsterwitze und Spottgedichte unterm Hakenkreuz, Wien 2001.

Franz Danimann, Interview 45.610. Visual History Archive, USC Shoah Foundation. Transkript Freie Universität Berlin 2012: http://transcripts.vha.fu-berlin.de/interviews/847?locale=de&query=Franz+Danimann (23.11.2021).