Ceija Stojka

(Kraubath an der Mur 1933 – Wien 2013): Als Roma-Kind in Auschwitz

„auschwitz ist mein mantel“

Ceija Stojka
Navigator Film

Ceija Stojka wurde am 25. Mai 1933 als Roma-Kind einer Lovara-Familie geboren. Zu dieser Zeit galt die Familie als „Reisende“, die unterwegs Handel betrieben. Lovara galten als Pferdehändler (ló ist das ungarische Wort für Pferd). Die Familie hielt sich gerne rund um Wien auf, da es viele Rossmärkte gab. Die Geschwister – drei Schwestern und drei Brüder – wurden unterwegs geboren, das erklärt die verschiedenen Geburtsorte.

Die Roma waren schon vor der NS-Machtübernahme im Visier von Behörden und Polizei. Obwohl ihre Zahl in Österreich gering war, wurde vom „Zigeunerunwesen“ gesprochen und 1936 sogar eine „Zentralstelle zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ eingerichtet. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurden rassistische Gesetze, etwa jenes der „Nürnberger Rassengesetze“, auch auf Roma angewandt. Das hieß etwa, dass Roma außerehelicher Geschlechtsverkehr mit „Deutschblütigen“ verboten war. Ceija Stojka bekam noch nicht viel mit, was vor sich ging, war sie doch zur Zeit des „Anschlusses“ erst fünf Jahre alt. Kaum in der Schule, musste sie diese verlassen, da unter dem Vorwand „sittlicher und charakterlicher Gefährdung der deutschen Kinder“ im Schuljahr 1939/40 Roma-Kinder aus der Schule ausgeschlossen wurden. Eine Schulerinnerung blieb ihr, nämlich als eine Lehrerin meinte, sie müsse „Heil Hitler“ sagen. „Ich habe aber keine Ahnung gehabt, wer der Hitler ist, und habe der Lehrerin also eine freche Antwort gegeben: ‚Ich kenn den Menschen ned, wer ist er?‘“

Wie die jüdische Bevölkerung wurden Roma mit Gesetzen gemaßregelt, erhielten eigene Ausweise, durften den Wohnort nicht verlassen, wurden interniert und zur Zwangsarbeit gezwungen. Die Familie von Ceija Stojka kam vorerst auf dem Gelände eines Bekannten in Ottakring unter; der Wohnwagen wurde in eine Hütte umgebaut, um weniger aufzufallen. Die Familie lebte in extremer Armut, die Kinder bettelten, eine Schwester, Kathi, wurde ins „Zigeuner-Anhaltelager“ Lackenbach gebracht. Eines Morgens im Jänner 1941 kam die Gestapo, schlug die Tür ein und verhaftete den Vater, Karl Wakar Horvath. Er wurde im November 1942 vom KZ Dachau in die Tötungsanstalt Hartheim gebracht und dort ermordet. Es kam ein Brief mit der Todesmeldung.

Im März 1943 wurden Mutter und Kinder im Zuge einer Razzia zunächst in die Rossauer-Kaserne gebracht und danach in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Die Kinder, eingesperrt in den Viehwaggons, schrien vor Hunger und Durst, Menschen starben im Waggon, es stank nach Urin und Kot. „Die Menschen haben schon gebrüllt und geschrien, also wenigstens Wasser.“ Aber es gab kein Wasser. An der Rampe von Birkenau kam es – anders als bei den meisten jüdischen Transporten – zu keiner Selektion. Die Deportierten wurden im „Zigeunerlager“ von Birkenau interniert. Sie kamen in eine der Baracken, und die Stojka-Kinder hielten „sich nur an der Mama“ fest, um sie nicht zu verlieren.

Die schlimmste Erinnerung für die Geschwister war der Tod des Nesthäkchens, des von allen geliebten jüngsten Bruders Ossi. Er erkrankte an Fleckfieber und kam ins Krankenrevier. Ceija Stojka schlich dort hinein und suchte ihn. Andere warnten sie: „Wenn‘s dich dawischen, dann … lebst aber keine zwei Minuten.“ Sie fand ihren kleinen Bruder, aber er überlebte nicht. Als sie sah, wie seine Leiche weggebracht wurde, lief sie ihm nach und deckte ihn mit ihrem Hemdchen zu. Dafür bekam sie gleich wieder Schläge. Die Zehnjährige wurde immer wieder verprügelt, einmal, weil sie eine Rübe stahl, ein andermal, weil sie eine Kartoffelschale vom Haufen nahm, und mehrfach, weil sie sich anmachte. Beim Erzählen zweifelte Ceija Stojka: „Wer wird das verstehen, wer kann das verstehen?“ Vieles lässt sich nicht erzählen, wie der schwarze Rauch und der „süßliche Geruch“ der verbrannten, ermordeten Jüdinnen und Juden.

Die Mutter war so stark, dass sie den Kindern die Angst nahm. Sie gab Ceija einen lebensrettenden Ratschlag, als Arbeitsfähige gesucht wurden: „Wenn dich jemand fragt, wie alt du bist, sagst, du bist sechzehn Jahre! Du bist eine Kleine, und du kannst aber gut arbeiten.“ Wer es nicht schaffte, aus dem „Zigeunerlager“ für Zwangsarbeit in andere Lager deportiert zu werden, hatte keine Chance zu überleben. Wie durch ein Wunder überlebten Ceija Stojka, ihre Mutter und die noch lebenden Geschwister. Nach Auschwitz folgten für Ceija die KZ Ravensbrück und Bergen-Belsen.

Wie andere Roma erlebte Ceija Stojka nach der Befreiung, dass die Diskriminierung weiterging. Roma wurden wie zuvor als „Asoziale“ betrachtet, und ihnen wurde unterstellt, mit dem Schwindel, sie seien in KZ-Haft gewesen, Vorteile herausholen zu wollen. Es dauerte sehr lange, bis Ceija Stojka als eine der wichtigsten ZeitzeugInnen Anerkennung fand. Sie verarbeitete ihre Erfahrungen durch Malerei und schrieb Gedichte. Eines davon heißt „auschwitz ist mein mantel“:

„auschwitz ist mein mantel,
bergen-belsen mein kleid
und ravensbrück mein unterhemd.
wovor soll ich mich fürchten?“

Literatur und Quellen

Ceija Stojka, auschwitz ist mein mantel. bilder und texte, hrsg. von Christa Stippinger, Wien 2008.

Ceija Stojka, Dokumentarfilm von Karin Berger, 1999.

Ceija Stojka, Interview 45.023. Visual History Archive. USC Shoah Foundation. Transkript Freie Universität Berlin. 2012: http://www.vha.fu-berlin.de (23.3.2015).

Ceija Stojka, Wir leben im Verborgenen. Erinnerungen einer Rom-Zigeunerin, hrsg. von Karin Berger, Wien 42003.

Johann Stojka, Interview 41.680. Visual History Archive. USC Shoah Foundation. Transkript Freie Universität Berlin. 2012: http://www.vha.fu-berlin.de (23.3.2015).