Aron Menczer

(Wien 1917 – Auschwitz 1943): Zionist und Pädagoge

Ein österreichischer Janusz Korczak

Aron wurde am 18. April 1917 als vierter von insgesamt sechs Söhnen des Ehepaars Simcha und Bluma Menczer geboren, die um 1900 von Galizien in die Hauptstadt der k.u.k. Monarchie gezogen waren und in der Leopoldstadt, dem heutigen zweiten Wiener Gemeindebezirk, wohnten. Bis er 16 Jahre alt war, besuchte er das Gymnasium, danach arbeitete er bei verschiedenen Firmen und engagierte sich wie mehrere seiner Brüder auch in der zionistischen Jugendorganisation „Gordonia“. Dort lernte er unter anderem Hebräisch und jüdische Geschichte und begann, sich für das Land Palästina zu interessieren. Da er gut mit Kindern umgehen konnte, wurde er Leiter (hebr. Madrich), leitete die Jugendlager der Gordonia und engagierte sich in der Jugendalija, die Jugendliche auf ein zukünftiges Leben in Palästina vorbereitete.

Der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich änderte 1938 vieles, die Jugendalija wurde einerseits zu einer der letzten Hoffnungen für verzweifelte Menschen, die aus dem Deutschen Reich fliehen wollten, andererseits wurde sie als Instrument zur Vertreibung der jüdischen Bevölkerung von Adolf Eichmann geduldet. Mit 21 Jahren übernahm Aron Menczer die Leitung der Jugendalija-Schule (JUAL) in der Marc-Aurel-Straße 5 im ersten Wiener Gemeindebezirk. Er wurde damit zur wichtigsten Bezugsperson jüdischer Jugendlicher in Wien, besonders nachdem seit 1939 jüdische Kinder und Jugendliche keine öffentlichen Schulen mehr besuchen durften. Zwischen 1938 und 1942 war die Schule in der Marc-Aurel-Straße der einzige Ort, wo jüdische Kinder sich sicher fühlen konnten und keine Angst vor Verfolgung haben mussten. Der Pädagoge Menczer verstand es, den Kindern und Jugendlichen eine Oase inmitten von Verfolgung und später Deportation zu schaffen.

Anfang 1939 begleitete Aron Menczer eine Gruppe Jugendlicher nach Palästina, kehrte jedoch gegen den Rat seiner Familie nach Wien zurück, um weiteren jüdische Kindern und Jugendlichen die Ausreise ermöglichen zu können. Ihm gelang es in den folgenden Jahren, tausende jüdische Kinder außer Landes zu bringen und damit zu retten. Mehrheitlich gelangten die Jugendlichen nach Palästina, einige konnten jedoch auch nach Skandinavien fliehen oder wurden mit Kindertransporten nach Großbritannien gebracht. Aber er begleitete auch Kinder, die mangels eines Visums illegal über die Grenze in das noch unbesetzte Jugoslawien gebracht wurden. Und selbst nachdem die Jugendalija aufgelöst worden war, organisierte er noch bis 1942 inzwischen illegal gewordene Zusammenkünfte in Privatwohnungen.
Am 24. September 1942 wurde Aron Menczer ins KZ Theresienstadt deportiert. Dort arbeitete er im zionistischen Jugendverband Hechaluz, hielt Vorträge und organisierte gemeinsame Schabbat-Abende. Als am 24. August 1943 ein Transport mit 1.264 für einen Gefangenenaustausch vorgesehenen Waisenkindern und 20 Betreuern aus dem liquidierten Ghetto Bialystok nach Theresienstadt kam, meldete sich Aron Menczer mit anderen Freiwilligen zur Betreuung der Kinder. Da der Gefangenenaustausch nicht zustande kam, wurden die noch lebenden 1.196 Kinder gemeinsam mit ihren 53 Betreuern am 5. Oktober 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort unmittelbar nach ihrer Ankunft am 7. Oktober in der Gaskammer ermordet.

Im November 2012 wurde in der Marc-Aurel-Straße 5 von der Stadt Wien eine Gedenktafel für Aron Menczer errichtet, am 10. September 2021 wurde ihm zu Ehren der „Bildungscampus Aron Menczer“ im dritten Wiener Gemeindebezirk eröffnet.

Literatur

Joanna Nittenberg, Benjamin Kaufmann (Hrsg.), Trotz allem … Aron Menczer und die Jugendalijah, Wien 2013.

Bundespressedienst (Hrsg.), „Auf Wiedersehen in Palästina“. Aron Menczers Kampf für die Rettung jüdischer Kinder im nationalsozialistischen Wien, Wien 1996.