Anton Steinbrunner

(Altweitra bei Gmünd 1892 – Wien 1953): Abnormal

Homosexueller Häftling in Auschwitz

Im Juni 1938 war Anton Steinbrunner, geboren am 16. Mai 1892, 46 Jahre alt. Er lebte in einer Wohnung in der Bandgasse im siebenten Wiener Gemeindebezirk und arbeitete als Kaffeekoch im Café de l’Europe am Graben. Er war kleinbäuerlicher Herkunft und hatte das Kaffeesiederhandwerk in Wien erlernt, bevor er im Ersten Weltkrieg an die italienische Front einrückte. Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft trat er der Wiener Sicherheitswache bei, verlor diese Arbeit aber nach kurzer Zeit, da er 1924 ein Verfahren wegen „Unzucht wider die Natur“ hatte, bei dem er zu einer sechswöchigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Zwei Jahre vorher hatte er Anna Kallab geheiratet, aus der kurzen Ehe ging die Tochter Gertrude hervor. Die Scheidung erfolgte ebenfalls 1924.

Anfang April 1938 besuchte Anton Steinbrunner die „Weinhalle Eiermann“, wo er oft sein Abendessen einnahm. Er lernte eine Runde SS-Leute kennen und traf sie kurze Zeit später wieder. Sie saßen an einem Tisch, tranken Wein und politisierten. Steinbrunner zeigte sich als überzeugter Nationalsozialist. In der geselligen Runde befand sich auch der 20-jährige Heinz Wurzel aus Weimar, SS-Mann bei der „Leibstandarte Adolf Hitler“, die seit März 1938 in Wien stationiert war. Steinbrunner lud Wurzel ein, zu ihm nach Hause zu kommen.

Am nächsten Tag, dem 8. April 1938, meldete SS-Mann Wurzel bei der Gestapo, er sei dort Opfer des Verbrechens der „Unzucht wider die Natur“ geworden. Stark alkoholisiert sei er in der Wohnung von Steinbrunner eingeschlafen. Nach dem Aufwachen habe er bemerkt, dass seine Hose offen gewesen sei und er einen Samenerguss gehabt habe. Anton Steinbrunner, der sofort verhaftet worden war, gestand, räumte aber ein, dass Wurzel sehr wohl bei Bewusstsein gewesen sei und die sexuellen Handlungen auf Gegenseitigkeit beruht hätten. Es wurde ihm nicht geglaubt.

Anton Steinbrunner wurde am 14. Oktober 1938 zu vier Monaten schweren Kerker, verschärft durch monatlich einen Fasttag, verurteilt. Als mildernd wurden seine homosexuelle Veranlagung und seine sexuelle Erregung zum Tatzeitpunkt angegeben. Am 8. August 1938 stellte die Gestapo einen Rückstellungsantrag, was bedeutete, dass Steinbrunner nach der Strafhaft wieder der Gestapo zur weiteren Verfügung zu überstellen war.

Steinbrunner wurde nach der Strafhaft in das KZ Dachau eingeliefert und von dort in das KZ Mauthausen deportiert, wo er im Steinbruch arbeiten musste. Anfang Dezember 1944 wurde er zusammen mit 1.120 weiteren Häftlingen als Facharbeiter nach Auschwitz transportiert, wo er nur mehr kurze Zeit inhaftiert war. Er überlebte den Transport in das KZ Mittelbau-Dora und wurde dort auch befreit. Anton Steinbrunner starb am 18. Dezember 1953 in seiner Wohnung in Wien.

Literatur und Quellen

Strafakt des Verfahrens gegen Anton Steinbrunner, Wiener Stadt- und Landesarchiv, Strafsachen LG I, Vr 4794/38 (= QWIEN Archiv, WLGI_4794_38).