Anna Sussmann

(Wien 1909 – Wien 1985): Eine Frau im Widerstand

„Du darfst nicht sagen, dass du schwanger bist“

Anna Sussmann schloss sich im französischen Exil der Résistance an.
DÖW / Foto 21.349/5

1909 in Wien geboren, verlor Anna Goldscheider schon früh ihre Eltern und wurde von ihren Geschwistern in bescheidenen Verhältnissen im 9. Bezirk aufgezogen. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Familie war eine höhere Schulbildung für sie nicht möglich – sie machte daher eine Lehre als Modistin. Bereits als Lehrmädchen nahm Anna Goldscheider Schauspielunterricht und lernte in der Sozialdemokratischen Kunststelle den jungen Bühnenbildner Heinrich Sussmann, ihren späteren Mann, kennen. Kontakte mit der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) hatte sie bereits im Arbeiterturnverein geknüpft und war Parteimitglied geworden. Ab 1929 war sie Assistentin bei einem Zahnarzt.

Nach den Februarkämpfen, der Installierung der austrofaschistischen Regierung unter Engelbert Dollfuß und dem Verbot der SDAP wurde auch die politische Tätigkeit von Anna Sussmann illegal. Sie wechselte zu den (ebenfalls verbotenen) Kommunisten, im Frühjahr 1934 wurde sie Parteimitglied. Im Juni 1937 verließ sie Wien, heiratete den bereits im Pariser Exil lebenden Heinrich Sussmann und setzte mit ihm ihre politische Arbeit in der Auslandsorganisation der KPÖ fort, vor allem in der Unterstützung der österreichischen Spanien-KämpferInnen wie etwa Hermann Langbein und nach 1938 im „Cercle Culturel Autrichien“, einer Kulturorganisation für ExilösterreicherInnen. 1939 wurde ihr Mann als „feindlicher Ausländer“ verhaftet und meldete sich mit Kriegsbeginn zum militärischen Arbeitsdienst. Nach der Besetzung Frankreichs durch die Deutsche Wehrmacht flüchteten Anna und Heinrich Sussmann nach Marseille und gingen dort in den Widerstand. 1942 kehrten sie trotz Gefährdung über Lyon nach Paris zurück.

1944 wurden die Sussmanns verraten, an die Gestapo ausgeliefert und Ende Juli von Drancy nach Auschwitz deportiert. Anna Sussmann war zu diesem Zeitpunkt hochschwanger. Während ihr Mann im Stammlager interniert war, kam sie ins Frauenlager in Birkenau.

„Birkenau war ein reines Vernichtungslager, das wussten wir bei der Ankunft nicht. Die Frauen wollten Nachrichten von uns. Wir haben Kriegsentwicklung erzählt (…). Die Frauen erzählten von den Gaskammern: Wir haben das eigentlich nicht geglaubt. Am nächsten Tag (…) haben wir die Schlote gesehen und auch gerochen, wonach es da riecht. Eine Polin hat mir zugeraunt: Du darfst nicht sagen, dass du schwanger bist.“

Ihr Sohn wurde sofort nach seiner Geburt vom Lagerarzt Josef Mengele ermordet, Anna Sussmann überlebte und wurde im Oktober 1944 in ein Außenlager von Groß-Rosen verlegt. Noch im Winter gelang ihr mit ihrer Freundin Lilli Schlesinger am Weg zum Arbeitseinsatz die Flucht. Die beiden schlugen sich bis in die Schweiz durch. Anna und Heinrich Sussmann, der in Auschwitz befreit worden war, engagierten sich nach dem Krieg vor allem für die Aufgreifung der NS-Täter*innen sowie als Zeitzeug*innen und als politische Akteur*innen. 1989 wurde die Anni und Heinrich Sussmann Foundation ins Leben gerufen, die künstlerische Arbeiten, die sich mit Demokratie und Faschismus auseinandersetzen, unterstützt.

Literatur

Ö1, Im Journal zu Gast: Auschwitz-Überlebende Ehepaar Sussmann (09.02.1985), Österreichische Mediathek, jm-850209_k02.

Interview mit Anna Sussmann vom 13. und 25. Mai 1982 (Interviewer: Hans Wittek); Kassetten und Transkript, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, DÖW-Interview 068.

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes: Nachlass Anna Sussmann.

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Erzählte Geschichte. Anna Sussmann: Ex-Autrichienne: https://www.doew.at/erinnern/biographien/erzaehlte-geschichte/exil/anna-sussmann-ex-autrichienne (16.12.2021).

Anna Sussmann, Deutschland ist schwarz. In: Karin Berger, Elisabeth Holzinger, Lotte Podgornig, Lisbeth N. Trallori, Ich geb Dir einen Mantel, dass Du ihn noch in Freiheit tragen kannst. Widerstehen im KZ. Österreichische Frauen erzählen, Wien 1987, S. 247–252.