Fred Wander

(Wien 1917 – Wien 2006): Schriftsteller jüdischer Herkunft

Zwischenstation Auschwitz

Fred Wander, 1981
ÖNB/Wander

„Aber wie soll man Geschehnisse dieser Art mitteilen? Wer es nicht selbst erlebt hat, wird es nie begreifen können.“ Damit drückt Fred Wander etwas aus, das viele Überlebende bedrückte: Sie wollten Zeugnis ablegen und stießen an die Grenzen ihrer Ausdrucksmöglichkeiten, um das Ungeheuerliche der Grausamkeiten und des gezielten Mordens anderen glaubwürdig zu vermitteln. Ihre Sorge: Wer würde das glauben? Wer kann das verstehen?

Die Geschichte von Fred Wander ist für viele, die überlebten, nicht ungewöhnlich: Für sie war Auschwitz lediglich eine Zwischenstation, weil sie als arbeitsfähig galten und rasch an andere Orte verfrachtet wurden. Ansonsten wären sie dem Tod geweiht gewesen. Für Fred Wander war Auschwitz ebenfalls Zwischenstation, und dennoch prägte ihn dieser Einblick in die Hölle auf Erden sein Leben lang. Der Vernichtungsort bekam für ihn noch eine andere furchtbare Bedeutung: Seine Eltern Berta und Jakob Rosenblatt und seine Schwester Renée wurden in Auschwitz ermordet.

Fred Wander wuchs als Fritz Rosenblatt in Wien auf und absolvierte nach der Hauptschule eine Lehre in einer Kleiderfabrik. Wie viele andere war er von Arbeitslosigkeit betroffen. Schon im Mai 1938 flüchtete er nach Frankreich und wurde nach Kriegsausbruch als „feindlicher Ausländer“ interniert. Als das Deutsche Reich 1940 Teile Frankreichs besetzte, rettete er sich nach Marseille in den unbesetzten südlichen Teil Frankreichs. Seine Erfahrung dort hielt er im Roman „Hôtel Baalbek“ eindrucksvoll fest. Ein Versuch, sich in die Schweiz zu retten, scheiterte; er wurde von der Schweiz an Vichy-Frankreich ausgeliefert, das mit dem mörderischen NS-System kollaborierte und ihm jüdische Flüchtlinge überließ. Vom Internierungslager Camp de Rivesaltes in den Pyrenäen wurde er über das nahe Paris gelegene Sammellager Drancy in den „ersten Kreis der Hölle“ nach Auschwitz deportiert. In seinen Erzählungen wird wie bei anderen die Zeit relativ: Die Fahrt in einem von Rindermist beschmutzten und mit Zement bestäubten Waggon dauerte „ungefähr eine Woche“. Die Passagen zu Auschwitz in den Erinnerungen „Das gute Leben oder Von der Fröhlichkeit im Schrecken“ sind knapp bemessen, doch in ihrer Intensität tiefgehend. Eine Fahrt ohne Nahrung und Wasser, mit Sterbenden und Leichen im Waggon; niemand wollte begreifen, dass sie dem Tod näher waren als dem Leben. Die Rampe: das Gebrüll der SS-Männer, die Schläge, Fußtritte, die Trennung der Schwachen, Kranken, Alten und Kinder, Er erinnerte sich an Musik, etwa an „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist?“ Die Opfer sollten paralysiert, wehrlos gemacht werden.

Fred Wander wurde zu den Arbeitsfähigen „selektiert“, kam weiter ins KZ Groß-Rosen, um dort Zwangsarbeit zu verrichten, und wurde schließlich im KZ Buchenwald befreit. Nach zehn Jahren in Wien übersiedelte er 1958 in die DDR, wo er – obwohl er 1968 aus der Kommunistischen Partei Österreichs austrat – bis 1983 als Reporter und Schriftsteller lebte. Danach übersiedelte er nach Wien.

Die Beschreibungen Fred Wanders über die KZ-Erfahrung wirken oft bewusst distanziert gehalten, sind es manchmal aber ganz und gar nicht, etwa die Passage über den Hunger, das Verhungern, die Halluzinationen von einem Stück Brot und die Nachwirkung: „Nur in meinem Kopf ist etwas verrückt – ich freue mich jeden Tag über ein Stück Brot auf dem Tisch, Leben heißt immer wieder anfangen, auf die einfachste Art.“

Literatur

Walter Grünzweig, Ursula Seeber (Hrsg.), Fred Wander. Leben und Werk, Bonn 2005.

Fred Wander, Der siebente Brunnen. Roman. Mit einem Vorwort von Ruth Klüger, Göttingen 2006.

Fred Wander, Das gute Leben oder Von der Fröhlichkeit im Schrecken. Erinnerungen, Göttingen 2006. (Daraus stammen die im obigen Text verwendeten Zitate.)