Alma Rosé

(Wien 1906 – Auschwitz-Birkenau 1944): Leiterin des Orchesters weiblicher Gefangener in Auschwitz-Birkenau („Mädchenorchester“)

Virtuose Autorität rettete Frauenleben

Wenn es um den Grad der Berühmtheit geht, zählt Alma Rosé mit dem Librettisten Fritz Löhner-Beda, dem sozialdemokratischen Parlamentsabgeordneten Robert Danneberg, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Desider Friedmann und dem jüdisch-nationalen Politiker Robert Stricker zu den berühmtesten Auschwitz-Opfern aus Österreich. Ihr Vater Arnold Rosé war unter anderem Konzertmeister der Wiener Hofoper bzw. der Wiener Philharmoniker, das von ihm geleitete Rosé-Quartett war eines der bedeutendsten seiner Zeit. Ihre Mutter war eine Schwester des Komponisten Gustav Mahler. Alma Rosé lernte bei ihrem Vater und debütierte Ende 1926 im Großen Musikvereinssaal. Ihre Karriere schien vorprogrammiert. 1932 gründete sie ein „Wiener Walzermädel“ genanntes Frauenorchester, mit dem sie 1933 auf Tournee ging.

Nach dem „Anschluss“ klassifizierte der Nationalsozialismus die Rosés als „jüdisch“, obwohl sie der protestantischen bzw. katholischen Religion angehörten. Im März 1939 gelang Alma Rosé die Flucht nach England. Ende 1939 flog sie für ein Konzert nach Amsterdam. Sie blieb und geriet mit der Besetzung der Niederlande durch die Deutschen im Mai 1940 abermals in höchste Gefahr. Alma Rosé tauchte unter und ging mit einem Niederländer eine Scheinehe ein. Als niederländische Jüdinnen und Juden deportiert wurden, flüchtete sie nach Frankreich, wurde Ende 1942 verhaftet, im Sammellager Drancy interniert und im Juli 1943 nach Auschwitz deportiert.

Alma Rosé war zunächst in höchster Gefahr, da sie in einem Block untergebracht wurde, in dem SS-Ärzte gefährliche medizinische Experimente vornahmen. SS-Oberaufseherin Maria Mandl hörte sie dort Geige spielen und holte Alma Rosé zum bereits bestehenden Frauenorchester, wie es oft heißt, auch um ihr eigenes Ansehen unter der Lagerelite zu steigern. Alma Rosé übernahm die Leitung des Orchesters. Jeden Morgen und Abend, bei jeder Temperatur begleitete das Orchester den Marsch der tausenden, im Gleichschritt marschierenden Häftlingsfrauen.

Rosés Anspruch war es, das Orchester auf ein hohes Niveau zu bringen. Da nicht alle Musikerinnen dafür ausgebildet waren, Instrumente fehlten und die klimatischen und räumlichen Bedingungen den Instrumenten schadeten, war dies ein schier unerreichbares Unterfangen. Die Lagerleitung rund um Maria Mandl fand Gefallen am Frauenorchester und versorgte es mit Noten und neuen Instrumenten, die den Ankommenden weggenommen worden waren. Zu den Sonntagskonzerten kamen auch Kapos und SS. Alma Rosé ging in ihrer Rolle auf. In ihrer Funktion als Kapo erhielt sie ein Einzelzimmer, in dem sie ununterbrochen die Musikstücke für die eigenartige Orchestrierung arrangierte. Aufgrund ihrer Autorität und Strenge war sie nicht nur bei den Mitgliedern des Orchesters respektiert, sondern – und das war nahezu einzigartig – auch bei der SS-Wachmannschaft, allen voran bei Oberaufseherin Maria Mandl.

Mit ihrem Einsatz für das Frauenorchester rettete Alma Rosé vorübergehend das Leben der Mitglieder und ermöglichte ihnen eine Entschärfung der belastenden Lagerbedingungen. Selbst bei Erkrankungen half die Mitgliedschaft im Frauenorchester. Die Cellistin Anita Lasker-Wallfisch beschrieb eine Selektion, als sie mit Typhus im Krankenrevier lag. Es wurde entschieden, wer bleiben durfte bzw. wer durch Vergasung ermordet wurde. „Das ist die Cellistin“, rettete in diesem Moment ihr Leben. Trotz der vergleichsweise besseren Haftbedingungen überlebte Alma Rosé nicht. Sie starb am 5. April 1944 an einer nicht näher bekannten Krankheit. Eine kleine Gasse am Rand von Wien erinnert seit 1969 an ihren Namen und seit 2019 das Alma Rosé-Plateau im Haus der Geschichte Wien.

Literatur

Helena Dunicz Niwińska, Wege meines Lebens. Erinnerungen einer Geigerin aus Birkenau, Oświęcim 2015.

Richard Newman, Karen Kirtley, Alma Rosé. Wien 1906 – Auschwitz 1944, Bonn 2003.

Anita Lasker-Wallfisch, Ihr sollt die Wahrheit erben. Die Cellistin von Auschwitz, Reinbek bei Hamburg 22014.

Michaela Raggam-Blesch, Monika Sommer, Heidemarie Uhl (Hrsg.), Nur die Geigen sind geblieben. Alma und Arnold Rosé, Wien 2018.